So soll den Hebammen geholfen werden

Nach einem nun vorgestellten Plan von Gesundheitsminister Gröhe sollen künftig die Krankenkassen einspringen.

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Berlin. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will Hebammen in Not mit zusätzlichem Geld von den Krankenkassen helfen. Zuschläge der gesetzlichen Krankenversicherung sollen Geburtshelferinnen in die Lage versetzen, stark gestiegene Haftpflichtprämien zu bezahlen.

Gegen ein weiteres Ansteigen der Prämien soll die Haftpflichtversicherung der Hebammen zudem den Kassen Behandlungskosten nach Geburtsschäden nicht mehr in heutigem Umfang erstatten müssen. Das sieht ein gestern nach monatelangen Beratungen veröffentlichter Vorschlag Gröhes vor.

Rund 2,9 Millionen Euro kann zusammenkommen, wenn man den Schaden nach einem Behandlungsfehler bei der Geburt in Geld bemessen will. Ein Vertreter der Versicherungen erläuterte den Beispielsfall in einer Arbeitsgruppe der Regierung. 500 000 Euro machte das Schmerzensgeld für das behinderte Kind aus.

Jahrelange professionelle Pflege kostete 910 000 Euro, der Verdienstausfall des Kindes wurde auf 500 000 Euro taxiert. Hinzu kamen Kosten für Behandlungen, Hausumbauten und Anwälte. Zehn Jahre vorher wurden in einem solchen Fall 340 000 Euro fällig — insgesamt.

Die Zahlen machen deutlich, woher das Problem vieler Geburtshelferinnen rührt: Der medizinische Fortschritt lässt die Opfer von Geburtsfehlern länger leben, die Gerichte schrauben die Ansprüche in die Höhe — und mit den Schadenshöhen sind auch die Haftpflichtprämien für die Hebammen explodiert.

Es sind happige Summen: jährlich 5091 Euro von Juli an. Entsprechend laut schlugen zuletzt die Hebammenverbände Alarm. „Ein Sterben auf Raten“ beklagten sie. Es gab Bundestagsdebatten und Demonstrationen. Tausende gingen für die Geburtshelferinnen auf die Straße.

Doch wie sollte die Politik reagieren? Sollte sie mit Steuergeld den Hebammen helfen? Wäre das die angemessene Antwort darauf, dass Opfern von Fehlern Gelder und Behandlungen zustehen? Sollten gar die Schadenssummen gesenkt werden? Hier machte Gröhe klar: Betroffene und Angehörige sollten nicht schlechtergestellt werden.

Und: Keineswegs alle der rund 21 000 Hebammen müssen die hohen Prämien zahlen. Voll betroffen sind jene gut 3000 freiberuflichen Hebammen, die Geburtshilfe leisten und nicht vor allem Vor- und Nachsorge. Doch wer von ihnen viele Geburten absolviert, kommt durch die Haftpflicht gar nicht in Not. Denn die Kassen zahlen den Prämienanstieg insgesamt — als Zuschlag je abgerechneter Geburt.

Folge: Wer viele Geburten betreut, kann einen Extragewinn verbuchen. Wer wenige Geburten hat, dem reichen die bisherigen Zuschläge nicht. Für eine Haus- oder Geburtshausgeburt einer freiberuflich tätigen Hebamme zahlen gesetzliche Kassen bereits zwischen 140 und 200 Euro als Ausgleich für die Versicherungsprämie.

Der neue Vorschlag: Hebammen mit wenigen Geburten sollen demnach Zuschläge bekommen. Und die Kassen sollen sich ihre Ausgaben für die Opfer von Fehlern nicht mehr wie bislang von der Hebammen-Haftpflicht zurückholen können — diese müsste ihre Prämien dann nicht weiter steigen lassen.

Doch ob dies so kommt, ist offen. Nicht nur das Justizressort hat Bedenken gegen diesen Regressverzicht. Auch der Sprecher des Kassen-Spitzenverbands, Florian Lanz, meint: „So wie auch andere Berufstätige für ihre Fehler geradestehen müssen, sollte dies auch bei den Hebammen weiterhin so sein.“ Die Beitragszahler der Versicherungen müssten davor bewahrt werden, statt der Haftpflichtversicherung die Folgekosten von Hebammenfehlern zu tragen.