Sozialpolitik: Merkel fordert Gutscheine für Hartz-IV-Bezieher
Die Kanzlerin will den Missbrauch des neuen Betreuungsgeldes verhindern. Sozialverbände sind empört.
Berlin/Düsseldorf. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist für ihren Vorschlag, Hartz-IV-Beziehern von 2013 an Bildungsgutscheine statt des von Schwarz-Gelb geplanten Betreuungsgeldes zu geben, heftig in die Kritik geraten.
"Das ist eine Diskriminierung von Hartz-IV-Empfängern", sagte der Mainzer Verfassungsrechtler Friedhelm Hufen. Vor dem Hintergrund des Grundgesetzes sei dieser Plan nicht umsetzbar: "Er verstößt gegen Artikel 3", sagte Hufen mit Blick auf die Passage "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich".
Hintergrund der Debatte ist die Kritik des Bürgermeisters von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD). Er hatte gesagt: "In der deutschen Unterschicht wird das Betreuungsgeld versoffen."
Merkel wies die Kritik am Betreuungsgeld zurück. Eine Zweckentfremdung könne verhindert werden. "Für Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel wollen wir überlegen, ob wir Gutscheine anbieten, zum Beispiel für Bildung der Kinder oder für den Besuch bestimmter Einrichtungen."
Die SPD gab sich empört: "Das ist eine Stigmatisierung und Diskriminierung einkommensschwacher Familien, die ihresgleichen sucht", sagte die familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Caren Marks.
Zustimmung bekam die Kanzlerin dagegen von ihrem Koalitionspartner. "Wir werden Frau Merkel in ihrem Vorhaben unterstützen", sagte die stellvertretende Fraktionschefin der FDP, Ulrike Flach. Zugleich machte sie klar, dass Gutscheine für sozial Schwache nur die zweitbeste Lösung sind: "Es wäre aber besser, die Gutscheinlösung nicht nur für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern, sondern für alle einzuführen."
NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) übte scharfe Kritik an Buschkowsky: "Solch eine Äußerung ist nicht nur skandalös, sie ist bodenlos und arrogant. Dies hat mit der Realität nichts zu tun. Wer auf Hartz IV angewiesen ist, kann sich große Sprünge nicht erlauben."
Nach langem Ringen hatten sich die Unionsparteien und die FDP in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Betreuungsgeld jenen Familien zu zahlen, die Kinder unter drei Jahren nicht in eine Tagesstätte geben. Vorgesehen sind rund 150 Euro im Monat.