Spagat auf europäischem Parkett
Sparen oder Investieren? Merkel und Hollande streiten über den besten Weg, wie Europa aus der Krise kommt.
Brüssel. Sie kamen getrennt und sie gingen getrennt. Küsschen für die Kameras und Fotografen wie zu Zeiten des einstigen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gab es auch nicht. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Sarkozys sozialistischer Nachfolger François Hollande demonstrierten nach einem Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel zumindest eine grundsätzliche Übereinstimmung, was den Krisenkampf in Europa angeht.
Bei Eurobonds dagegen gehen Merkels und Hollandes Ansichten deutlich auseinander. Das strich der neue Präsident des wichtigsten deutschen EU-Partnerlands mehrfach heraus, als er nach dem etwa sechsstündigen Abendessen am frühen Donnerstagmorgen vor die Presse trat.
In Europa werden derweil weitere Möglichkeiten diskutiert, wie die Staaten gemeinsam Schulden zu gleichen Zinssätzen machen könnten. Im Aufwind: Modelle eines „Schuldentilgungsfonds”.
Auch in Berlin muss sich Merkel der Diskussion um Bonds und Fonds stellen. Vor allem die SPD treibt das Thema voran, geht aber auf Distanz zu Hollande. In Brüssel betonte die Kanzlerin jetzt in ihrer lediglich fünfminütigen Pressekonferenz, dass sie in Europa nicht allein dastehe mit ihrem „Nein“ zu Eurobonds.
Hollande bestätigte das: Auch andere Staaten lehnten Eurobonds vehement ab. Stelle man die deutsche Position optimistisch dar, so der Franzose, dann sehe die Kanzlerin Euro-Anleihen erst als Möglichkeit am Ende einer Entwicklung hin zu mehr Europa. Für Frankreich dagegen seien sie ein „Start“.
Merkel hält Eurobonds für ungeeignet, Europas flauer Wirtschaft den dringend benötigten Schwung zu verleihen. Schließlich hätten ähnliche Kreditzinsen für unterschiedlich wettbewerbsfähige Staaten seit Einführung des Euro für wirtschaftliche „Verwerfungen“ gesorgt.
Aus Sicht Hollandes würde das gemeinsame Schuldenmachen dagegen dazu führen, dass schlechter beleumundete Länder günstiger Geld borgen könnten. Das helfe ihnen, den Staatshaushalt zu sanieren. Die Politiker hätten dann mehr Spielraum für Wachstumsimpulse.
Die gemeinsamen Schuldverschreibungen sind nicht der einzige Weg, wie die Staaten sich gemeinschaftlich — und damit auch dank der Topkreditwürdigkeit Deutschlands — im Schnitt günstiger als bisher Geld leihen könnten. Eine andere Möglichkeit wären Schuldentilgungsfonds.
Der Deutsche Sachverständigenrat hat dazu Vorschläge gemacht, die die EU-Kommission in ihrem Diskussionspapier aufnahm. Und so soll der Fonds funktionieren: Laut EU-Recht darf ein Staat nur Schulden bis zu einer Gesamtsumme haben, die 60 Prozent seiner Jahreswirtschaftsleistung entspricht.
Alle Schulden jenseits dieser Marke sollen in den Fonds gepackt und von allen Ländern gemeinsam garantiert werden. Das senkt die durchschnittlichen Geldausleih-Zinsen. Jedes Land muss aber seine von allen garantierten Schulden selbst abstottern.