Steuern senken oder nicht? – Das sagen die Experten: Interview I

Rainer Kambeck vom RWI fordert Entlastungen von Firmen – aber nicht gegenfinanziert über neue Schulden.

Herr Kambeck, sind die Steuersenkungen, die Union und FDP im Wahlkampf versprochen haben, angesichts der derzeitigen Finanzlage umsetzbar?

Kambeck: Nein, nicht in dem Umfang, der versprochen wurde. Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise hat Deutschland zusätzliche Schulden gemacht, die es in den kommenden Jahren wieder abzubauen gilt. Das Bundeskanzleramt hat den Rahmen abgesteckt: Bis 2013 müssen bei den Ausgaben etwa 40 Milliarden Euro eingespart werden. Nur dann kann die von der Politik festgelegte Schuldenbremse, die ab 2016 für den Bund wirksam werden soll, eingehalten werden.

Gibt es neben der Schuldengrenze weitere Argumente, die für einen zügigen Abbau der Verschuldung sprechen?

Kambeck: Weitaus wichtiger ist natürlich die Belastung der öffentlichen Haushalte durch die Zinszahlungen. Sie machen bereits heute den zweitgrößten Ausgabenposten im Bundeshaushalt nach dem Etat für Arbeit und Soziales aus. Dabei profitiert die öffentliche Hand derzeit sogar noch von niedrigen Zinsen, die aber nach Ende der Krise wieder steigen werden.

Können Steuersenkungen trotz der Krise und der Verschuldung sinnvoll sein?

Kambeck: Ja, wir plädieren grundsätzlich dafür. Steuersenkungen können das Wirtschaftswachstum beflügeln. Allerdings sollten diese Senkungen durch Einsparungen im Bundeshaushalt gegenfinanziert werden, beispielsweise bei den Subventionen, und nicht über eine Erhöhung der Neuverschuldung. Diese Einsparungen müssen auch nicht radikal sein, sondern können durchaus längerfristig angelegt sein.

Welche Steuersenkungen sind aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Kambeck: Bei den Unternehmenssteuern wird eine stärkere Wirkung auf das Wachstum erreicht als bei der Senkung von Lohnsteuern. Ich halte daher Korrekturen an der jüngsten Unternehmenssteuerreform für sinnvoll, etwa im Bereich der Abschreibungen und der Verlustverrechnungen. Hier kann schon mit kleinen Änderungen einiges an Wachstum generiert werden. Zugleich sind die Mindereinnahmen nicht so hoch wie bei Tarifänderungen im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer.

Eine nicht gerade populäre Maßnahme: Bei den Firmen Steuern zu senken und die ³Bürger nicht zu entlasten.

Kambeck: Unpopulär ja, aber trotzdem richtig. Denn die Bürger profitieren doch am meisten, wenn sich die Wirtschaft wieder schnell erholt. Auch weil sie es sind, die die Lasten der Krise tragen, beispielsweise durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, sinkende Löhne.

Einige Ökonomen fordern Steuererhöhungen in der Wirtschaftskrise, insbesondere eine Anhebung der Mehrwertsteuer. Was sagen Sie dazu?

Kambeck: Davon halte ich wenig. Wenn die Mehrwertsteuer angehoben wird, sinkt die Kaufkraft und damit die Binnennachfrage, was in einer Wirtschaftskrise kontraproduktiv ist. Zugleich muss man sehen, dass gerade eine Erhöhung der Mehrwertsteuer Menschen mit kleineren Einkommen stark belastet.