Steuerpsychologe Wolfgang Franzen zum Thema Hoeneß und Spielsucht

Warum manche meinen, sie müssten keine Steuern zahlen: Ein Gespräch über Steuerkultur und Versuchungen.

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Köln. 27,2 Millionen Euro Steuern soll Uli Hoeneß hinterzogen haben, betont aber, er sei kein Sozialschmarotzer. Über die Steuermoral in Deutschland haben wir mit dem Soziologen Wolfgang Franzen (54) gesprochen, Experte für Steuerpsychologie an der Forschungsstelle für empirische Sozialökonomik in Köln.

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Herr Franzen, im Prozess hat Uli Hoeneß hervorgehoben, dass er etwa fünf Millionen Euro gespendet hat. Nach eigenen Angaben hat er aber gut drei Mal mehr Steuern hinterzogen. Wie kann er sich da noch als Wohltäter sehen?

Wolfgang Franzen: Ich kenne die konkrete Motivlage von Herrn Hoeneß nicht, aber aus anderen Fällen ist das durchaus geläufig. Wenn sich jemand eingestehen muss, dass er eine Straftat begangen hat, und dies eine Person ist, die ein korrektes Selbstbild aufrechterhalten möchte, dann versucht sie oft, diese Vergehen zu neutralisieren. Es vor sich und anderen zu legitimieren, damit sie am Ende sagen kann: „Eigentlich bin ich doch ein guter Mensch.“

Nach Studien Ihres Instituts gibt es verschiedene Typen von Steuerhinterziehern und -zahlern. Welcher Typ ist Uli Hoeneß?

Franzen: Das ist schwer zu sagen, denn der Fall ist komplex, und es ist nicht sicher, ob wir schon im Besitz aller relevanten Informationen sind. Wir unterscheiden zwischen Idealtypen, die in der Realität mal mehr, mal weniger ausgeprägt sind. Ein Typ ist der Spieler, der Risikobereite. Nach dem, was Uli Hoeneß erzählt hat, könnte das dazu passen: Dass er das Geld nur zum Zocken dort deponiert hatte, dass er 50 000 Kontobewegungen hatte. Andere Typen sind die, die nur mal gelegentlich etwas nicht angeben oder gar keine Steuern hinterziehen — das kann man bei Uli Hoeneß wohl ausschließen.

Wie wirken solche Fälle — nehmen es die Leute mit ihrer Steuererklärung auch nicht mehr so genau oder herrscht eher Angst vor Entdeckung?

Franzen: Unsere jüngsten Daten stammen von 2008, da war die Steuermoral erstmals nicht mehr ganz so schlecht. Ich würde vermuten, dass die Fälle Uli Hoeneß, Alice Schwarzer und Klaus Zumwinkel das Steuerklima zum Besseren verändern.

Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?

Franzen: Nicht gut, aber nicht so schlecht wie andere Länder. Die Steuerkultur-Räume sind sehr unterschiedlich geprägt.

In Griechenland gab es einen Aufschrei, weil viele nun überhaupt Steuern zahlen sollen.

Franzen: In Griechenland ist das Vertrauen in den Staat und die Parteien zerrüttet, die Korruption sehr präsent. Die Griechen fühlen sich von ihrem Staat nicht vertreten. Ansatzweise ist das auch anderswo in Südeuropa so, etwa in Italien. Im anglo-amerikanischen und skandinavischen Raum herrscht dagegen ausgesprochen gute Steuermoral und eine höhere Transparenz. Bei uns gibt es eine grundsätzliche Akzeptanz des Steuerzahlens, aber auch immer wieder Vorwürfe, wie das Geld verwendet wird.

Ändert sich die Steuermoral mit steigendem Einkommen?

Franzen: Ab einem bestimmten Einkommen steigt die Tendenz, dass man sich privat absichert, die Kinder private Schulen besuchen und man in private Krankenhäuser geht. Man entfernt sich von staatlichen Leistungen, und manche wollen dann dafür auch nicht mehr zahlen.

Ist Steuerhinterziehung ein reiner Reichen-Sport?

Franzen. Das kann man nicht sagen, das zieht sich durch alle gesellschaftlichen Kreise. Aber Gelegenheit macht Diebe. Bei Gehaltsempfängern wird ja gleich an der Quelle die Steuer abgezogen — die haben ja viel weniger Möglichkeiten. Anders ist das bei Selbstständigen. Wenn jemand das Geld erst mal in der Hand hat, eröffnen sich auch mehr Möglichkeiten, etwas zu verschweigen, und es fällt psychologisch schwerer, sich davon zu trennen. Die Versuchung wird einfach größer — das gilt gerade bei Kapitalerträgen im Ausland.