Studie: Viel Geld wird in der Familienpolitik falsch angelegt
Gut 200 Milliarden Euro gibt der Staat jedes Jahr für Familienpolitik aus. Nicht in jedem Fall ist das Geld auch sinnvoll angelegt.
Berlin. Vor mehr als vier Jahren hatten Wissenschaftler im Auftrag der Bundesregierung begonnen, das Dickicht der ehe- und familienpolitischen Leistungen zu durchforsten. Das Ergebnis der am Mittwoch veröffentlichten Studie ist wenig schmeichelhaft: Trotz immenser Kosten sind bestimmte Maßnahmen wenig effektiv und zum Teil sogar widersinnig. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht sich durch die Expertise in ihrer Politik bestätigt. Grundlegende Reformen sind allerdings nicht zu erwarten.
Immerhin gut 200 Milliarden Euro lässt sich der Staat sämtliche Familienleistungen im Jahr kosten. Für Eltern mit einem Kind summiert sich die Unterstützung über die Jahrzehnte auf durchschnittlich 118 000 Euro. Knapp die Hälfte davon entfällt allein auf das Kindergeld. Rund drei Viertel der Gesamtausgaben haben die Wissenschaftler näher unter die Lupe genommen — anhand von vier zentralen familienpolitischen Zielen: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Förderung der Kinder, wirtschaftliche Situation und die Erfüllung von Kinderwünschen.
Unter dem Strich, so die Wissenschaftler, entfalten dabei gerade besonders teure Leistungen längst nicht immer die gewünschte Wirkung. Als besonders problematisch gelten den Forschern das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung. Der Steuervorteil aus dem Ehegattensplitting, der zu Einnahmeverlusten in den öffentlichen Kassen von mehr als 20 Milliarden Euro führt, hat laut Untersuchung negative Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen. Ohne diese Maßnahme läge ihre Beschäftigungsquote um etwa 2,7 Prozent höher. Nach dem Splitting ist der Vorteil umso größer, je höher der Einkommensunterschied zwischen beiden Ehepartnern ist. Das begünstigt die Einverdiener-Ehe. 3,4 Millionen Familien würden nicht vom Splitting profitieren, rechnete Schwesig vor.
Ein positives Zeugnis stellen die Wissenschaftler dagegen dem Elterngeld aus. Die im Jahr 2007 eingeführte Lohnersatzleistung reduziere nicht nur das Armutsrisiko von jungen Familien, sondern führe auch zu einer höheren Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung und einem früheren beruflichen Wiedereinstieg von Müttern.
Gute Noten bekam auch das Kindergeld. Es kostet jährlich etwa 41 Milliarden Euro und bewahrt 1,3 Millionen Familien vor dem Abrutschen in Hartz IV. Die „größten Effekte“ bescheinigen die Forscher allerdings der subventionierten Kindertagesbetreuung. Ohne die öffentlichen Gelder dafür wären 126 000 Mütter mit Kindern bis zu drei Jahren überhaupt nicht erwerbstätig. Ministerin Schwesig sprach sich dafür aus, sämtliche Leistungen beizubehalten und manche davon auszubauen. Auf eine weitere Erhöhung des Kindergeldes, die ihre Partei im Wahlkampf abgelehnt hatte, wollte sich Schwesig nicht festlegen.
Über das einst von ihr selbst als „Herdprämie“ verspottete Betreuungsgeld verlor sie kein Wort. Die von der CSU durchgesetzte Leistung von monatlich 150 Euro für Familien, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken, war erst 2013 eingeführt und deshalb nicht untersucht worden.