Gesetz gegen „Armutsmigration“ auf dem Weg
Berlin (dpa) - Einreisesperren, Fristen für Arbeitsuchende und mehr Geld für Kommunen - mit diesem Katalog will die Bundesregierung Probleme durch „Armutsmigration“ aus der EU eindämmen.
Nach mehr als einem halben Jahr Debatte verabschiedete das Kabinett einen entsprechenden Regierungsbericht und brachte ein Gesetzespaket auf den Weg. Die CSU konnte sich mit schärferen Forderungen zunächst nicht durchsetzen. Sie hatte die Debatte mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ losgetreten.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) betonten rechtliche Grenzen von Sanktionen. Zuwanderung auch aus Bulgarien oder Rumänien sei zudem durchaus gut für das Land. Das Motto ist laut de Maizière: „Freizügigkeit ja, Hilfen bei negativen Folgen der Freizügigkeit ja, Missbrauch nein.“ Seit der vollen Freizügigkeit für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer in die EU zu Anfang des Jahres stieg die Zuwanderung stark an.
EU-Zuwanderern soll etwa im Fall von Betrug befristet die Wiedereinreise verboten werden. Das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche soll zudem auf sechs Monate beschränkt werden - außer bei konkreter Aussicht auf Erfolg. De Maizière räumte ein, Betroffene verließen das Land oft nicht. Oder sie kämen über die offenen Schengen-Grenzen erneut. Doch bekämen sie dann etwa keine Sozialleistungen.
Verhindert werden soll mehrfacher Bezug von Kindergeld. Dafür soll vorgeschrieben werden, dass Steueridentifikationsnummern genannt werden. Rechtlich geprüft werden soll laut de Maizière, ob sich das Kindergeld zum Beispiel bei bulgarischen Eltern in Deutschland mit Kindern in ihrer Heimat am bulgarischem Niveau orientieren kann. Ein CSU-Vorschlag für eine Aussetzung des Kindergelds für einige Monate sei rechtlich nicht umsetzbar. Nahles räumte ein, der Umfang von Sozialmissbrauch etwa beim Kindergeld sei nicht genau zu beziffern.
Bestraft werden soll, wer eine Aufenthaltsbescheinigung durch falsche Angaben erschleicht. Grassierende Ausbeutung von EU-Zuwanderern, Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit soll etwa durch effizientere Zusammenarbeit der Behörden bekämpft werden.
„Es gibt in bestimmten Städten etwas, was dort Arbeitsstrich genannt wird“, sagte de Maizière. Für ein, zwei Euro müssten Betroffene arbeiten - „alles schwarz, alles illegal“. Auch teure Vermietungen völlig verwahrloster Behausungen müssten eingedämmt werden. „Da gibt es einen massiven Missbrauch und Ausbeutung von denjenigen, die hier herkommen.“
Nahles betonte: „Es kulminiert in einigen Städten, dort in einigen Quartieren, es ist aber nicht so, dass wir generell ein Problem mit (...) der Freizügigkeit auch nach Eintritt von Rumänien und Bulgarien haben.“ Die bulgarische Regierung sorge sich, dass viele Fachkräfte, etwa Ärzte, nach Deutschland kämen. Meist gilt laut de Maizière: „Diese Menschen suchen für sich und ihre Familien bessere Chancen und tragen zu Wohlstand und Entwicklung in Deutschland bei.“
Für die Kommunen mit immer zahlreicheren Sozialleistungsbeziehern aus Rumänien und Bulgarien sollen zudem noch mehr Hilfsgelder fließen als ohnehin bereits geplant. So sollen diese Kommunen für das laufende Jahr 25 Millionen Euro mehr für die Unterkunft bei „Hartz-IV-Beziehern“ bekommen, rund 10 Millionen mehr für Gesundheitsleistungen wie Impfstoffe, 40 Millionen für zusätzliche Integrationskurse.
Insgesamt sollen sich verschiedene Gelder aus EU-Töpfen und vom Bund auf bis zu 250 Millionen Euro in den kommenden Jahren summieren. Betroffen sind etwa Duisburg, Frankfurt/Main, München, Offenbach. Die Verteilung des Geldes muss noch geklärt werden.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lobt die Pläne. „Die CSU konnte entscheidende Forderungen gegen den Sozialbetrug bei der Armutszuwanderung durchsetzen“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch). Die EU-Kommission begrüßte, dass die Bundesregierung sich dabei an geltendes europäisches Recht halten wolle. Opposition und Sozialverbände übten scharfe Kritik.
Der Grünen-Sozialexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Die Regierung sollte endlich aufhören, Probleme zu bekämpfen, die es nicht gibt.“ Unklar bleibe, was de Maizière gegen Ausbeutung von Zuwandernden plane.
Katina Schubert von den Linken warf der Regierung Stigmatisierung von Einwanderern vor. Die Diakonie betonte, Missbrauchsfälle seien die Ausnahme. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warf der Regierung Populismus vor. „Selbst die Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien ist unterm Strich ein Gewinn für Deutschland“, so das arbeitgebernahe Institut IW. Jeder fünfte erwerbstätige Bulgare oder Rumäne arbeite in Fach- und Führungspositionen. Auch der DGB bemängelte die Pläne.