Syriens Opposition hofft auf Schutzzone
Istanbul/Damaskus (dpa) - Nachdem das syrische Regime bei den Arabern in Ungnade gefallen ist, macht sich die Opposition jetzt für eine Schutzzone im Grenzgebiet zur Türkei stark.
Die arabische Tageszeitung „Al-Sharq al-Awsat“ meldete am Montag unter Berufung auf einen Oppositionellen, bei einem Treffen zwischen dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu und dem syrischen Nationalrat am Sonntag sei die Frage diskutiert worden, wie groß diese Pufferzone an der Grenze zur Türkei sein könnte. Die Opposition habe vorgeschlagen, das Gebiet solle 30 Kilometer breit sein, die Türken hätten von einem 5 Kilometer breiten Streifen gesprochen.
Ein türkischer Regierungsvertreter sagte der Zeitung, die Einrichtung einer sicheren Zone auf syrischem Gebiet sei möglich. Allerdings sei dafür nicht nur ein Mandat der Arabischen Liga notwendig, sondern auch ein internationales Mandat. Vor allem Moskau will bislang verhindern, dass sich das libysche Szenario in Syrien wiederholt. In Libyen hatte der Niedergang des Regimes mit einer von den Rebellen kontrollierten Zone rund um Bengasi begonnen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax, Nato-Staaten unterstützten klammheimlich den militanten Flügel der syrischen Protestbewegung. Über die Türkei, den Irak und andere Staaten würden Waffen an Aufständische geliefert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte: „Ich denke nicht, dass wir in die gleiche Richtung wie in Libyen gehen.“
Ein ähnliches Szenario wie einst in Libyen hält der in Istanbul ansässige syrische Oppositionelle Fawaz Zaky dagegen für wünschenswert. „Wir haben Hinweise, dass es ganze Brigaden der Armee gibt, die desertieren wollen, sie tun dies bisher nur deshalb nicht, weil sie Angst vor der Luftwaffe haben“, sagte er am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Falls die regimetreuen Einheiten von der Nato daran gehindert würden, Luftangriffe gegen Soldaten zu fliegen, die sich mitsamt ihrer Panzer und Artilleriegeschütze in eine Schutzzone zurückziehen, sei mit einer massenhaften Fahnenflucht zu rechnen.
Die Arabische Liga hatte Syrien am Samstag vorübergehend aus dem arabischen Staatenverbund ausgeschlossen. Zuvor hatte das Regime von Präsident Baschar al-Assad massiv gegen Bedingungen einer Friedensinitiative der Liga verstoßen. Am Montag sagte Außenminister Walid al-Muallim in Damaskus, der Ausschluss sei illegal. Die Liga solle einen Syrien-Sondergipfel einberufen. Gleichzeitig lud die syrische Führung arabische Menschenrechtsgruppen und Militärexperten ein, sich selbst ein Bild von der Lage in Syrien zu machen.
Die syrische Führung setzt laut Al-Muallim darauf, dass Russen und Chinesen ein internationales Eingreifen in Syrien verhindern werden. Anfang Oktober war eine von der Bundesregierung und anderen EU-Staaten formulierte Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat am Widerstand der Vetomächte Russland und China gescheitert.
Al-Muallim entschuldigte sich für die jüngsten Angriffe regimetreuer Syrer auf die Vertretungen von Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und Frankreich. Der deutsche Botschafter in Syrien, Andreas Reinicke, war von Außenminister Westerwelle am Wochenende zu Konsultationen nach Berlin gerufen worden. Auf die Frage, wann er nach Damaskus zurückkehren solle, sagte Westerwelle: „Das lasse ich mit Absicht offen.“
Die Europäische Union weitete unterdessen ihre Sanktionen gegen das Regime aus. „Das ist ein klares Zeichen des Beistandes gegenüber der syrischen Opposition“, sagte Westerwelle. Eine militärische Option lehnte er ab. „Eine solche Diskussion wird von uns Europäern nicht geführt. Ich kenne auch keine Zirkel, in denen solche Diskussionen geführt würden. Das sollte auch die Bedenken derer zerstreuen, die sich einer klaren Resolution in New York verweigern.“
Die EU-Außenminister setzten nach Angaben von Diplomaten 18 zusätzliche Namen von Assad-Unterstützern auf eine schwarze Liste. Syriens Außenminister sagte, die Europäer hätten viel bezahlt für den Einsatz in Libyen. Deshalb setzten sie im Falle Syriens auf Sanktionen; diese könnten die Regierung aber nicht zu Fall bringen.
König Abdullah II. von Jordanien legte Assad den Rücktritt nahe. Dem britischen Sender BBC sagte er: „Wenn Baschar das Interesse seines Landes im Sinn hätte, dann würde er zurücktreten.“
Die sogenannten Revolutionskomitees meldeten, am Montag seien landesweit zwölf Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden. Seit Beginn der Anti-Assad-Proteste im März wurden nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 3500 Menschen getötet.