Tauziehen um Jülicher Atommüll

Greenpeace hält Transport in die USA für illegal und fordert ein neues Zwischenlager.

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Jülich/Berlin. Die Debatte um den Verbleib des Atommülls aus dem Versuchsreaktor Jülich spitzt sich zu. In Berlin präsentierte Greenpeace ein Rechtsgutachten, wonach der von der Bundesregierung und der NRW-Landesregierung erwogene Transport in die USA rechtswidrig sei. Die Grünen im Bundestag hatten zuvor ebenfalls diese Meinung geäußert. Die Bundesregierung sieht es allerdings anders.

Donnerstag früh projizierten Aktivisten von Greenpeace die Worte „Atommüllexport aus AKW Jülich illegal“ an die seit 1988 stillgelegte Anlage. Wenige Stunden später lieferte der von der Umweltorganisation beauftragte Anwalt Ulrich Wollenteit in Berlin die dazu gehörenden Argumente: Jülich sei mitnichten ein Forschungsreaktor, sondern habe als Versuchsanlage der Stromherstellung gedient und tatsächlich Strom geliefert. Es sei ein „Leistungsreaktor“ und werde auch so in den Listen der Internationalen Atom-Energie Organisation (IAEO) geführt.

Somit falle der dortige Atommüll unter die Vorschriften des Endlagersuchgesetzes, wonach sämtlicher Müll aus deutschen Atomkraftwerken auch in Deutschland entsorgt werden muss und nicht ins Ausland verbracht werden darf. Auch nicht zur Wiederaufbereitung. Ende August hatte Umweltstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) hingegen dem Grünen-Abgeordneten Jürgen Trittin mitgeteilt, dass in Jülich nach Ansicht der Bundesregierung der „Forschungs- und Enwicklungsgedanke prägend“ gewesen sei, weshalb man die Anlage entsprechend einstufe.

Es geht bei dem juristischen Tauziehen um den Verbleib von 152 Castorbehältern mit rund 300 000 Graphitkugeln, die hochradioaktives Material enthalten, das nach entsprechender Bearbeitung sogar atomwaffentauglich ist. In Jülich wurde bis 1988 ein graphitgesteuertes Atomkraftwerk erprobt. Es wurde anschließend in Hamm-Uentrop mit dem dortigen Hochtemperaturreaktor großtechnisch realisiert, der wegen zahlreicher Pannen aber 1989 nach nur 423 Tagen vom Netz ging.

Weitere 305 Castor-Behälter mit Graphitkugeln aus Hamm-Uentrop, die derzeit noch in Ahaus lagern, könnten den geplanten Schiffstransport in die USA ergänzen, fürchtet Greenpeace. Denn in beiden Fällen kam das spaltbare Material zuvor aus den USA; die Bundesregierung betrachtet die Verbringung in die US-Aufbereitungsanlage Savannah-River daher als Rücktransport.

Zwischen der amerikanischen und der deutschen Regierung gibt es seit April eine Absichtserklärung über das Geschäft. Doch regt sich auch in den USA dagegen Widerstand. In NRW bringt das Vorhaben vor allem die mitregierenden Grünen in die Bredouille. Sie hatten im Koalitionsvertrag noch versprochen, dass der Jülicher Atommüll „nur noch einmal bewegt werden soll — ins noch zu suchende deutsche Endlager“.

Greenpeace und andere Aktivisten wie die Initiative „Ausgestrahlt“, die am Montag vor dem Bundestag protestieren will, verlangen, dass das vorhandene Zwischenlager in Jülich entweder ausgebaut oder dass dort ein komplett neues Lager errichtet wird. Greenpeace bezeichnete die jetzige Anlage als „Billigkonstruktion“, vor allem die Erdbebensicherheit fehle. Seit Jahren arbeite man mit vorläufigen Genehmigungen.

Im Juli erließen die Landesbehörden schließlich eine Räumungsanordnung. Alle Beteiligten hätten sich in diesen Zustand hineinmanövriert; es herrsche ein beispielloses Chaos, kritisierte Greenpeace. Ein zunächst erwogener Transport der Castoren ins Zwischenlager Ahaus (Münsterland) war 2012 ebenfalls an massiven Widerständen gescheitert.