Erfurt. Der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie schwimmt gegen den Strom. Während die Bundes-SPD nach dem Debakel bei der Bundestagswahl nach links zieht, entscheidet er sich für ein Bündnis mit der CDU. Damit hat Matschie die innerparteilichen Grabenkämpfe verschärft und den Zwist mit der Linken angeheizt.
"Die Vertrauensbildung hat nicht funktioniert", begründet er die Abkehr vom linken Projekt, das schnell im Parteiengezänk unterging. Deshalb warnt er auch seine Bundespartei vor einer vorschnellen Verbrüderung mit der Linken. "Der einfache Weg, die SPD muss nach links rücken, ist meiner Meinung nach keine Lösung."
Im gleichen Atemzug beschuldigt Matschie Linke und Grüne, das Bündnis von Beginn an mit kompromisslosen Forderungen torpediert zu haben. Die Beschuldigten zahlen mit gleicher Münze zurück. Als "unwürdiges Schauspiel" und "Medieninszenierungen" tut Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow die Verhandlungen ab. Aus den Reihen der Grünen heißt es, Matschie habe das Bündnis nie gewollt. "Jetzt muss er dafür auch die Verantwortung übernehmen." Das Vorgehen der Thüringer SPD zeigt, dass der Weg zu einem Bündnis der Parteien links von der CDU noch lang ist.
Der Schritt in die Arme der CDU ist der SPD allerdings nicht leicht gefallen. Vier Stunden tagte der Vorstand, während vor der Tür die Jusos ein Tuch mit dem Slogan: "Schwarz-Rot ist unser Tod" in die Kameras hielten. Die Entscheidung fiel in der Nacht zu Donnerstag mit 18 zu sechs Stimmen und bestätigte damit die Kluft, die die Thüringer SPD seit Jahren in der Frage zum Umgang mit der Linkspartei teilt. Bereits Anfang 2008 musste sich Matschie einer Mitgliederbefragung stellen, um seine Wahlstrategie absegnen zu lassen: "Die SPD wählt keinen Ministerpräsidenten der Linken." Auch damals verweigerte ihm ein Viertel der Befragten die Gefolgschaft.
Mit dem Debakel bei der Bundestagswahl, bei dem die Thüringer SPD mehr als zwölf Prozentpunkte verlor und die Linke ihren Vorsprung noch ausbaute, ist die Zahl der Befürworter eines Linksrucks erheblich gewachsen. Ob sie sich den Matschie-Gegnern anschließen, die massiv gegen die Koalitionsentscheidung angehen wollen, ist offen. Viele beißen lieber wie Juso-Chef Peter Metz die Zähne zusammen, um ihrer Partei nicht weiter zu schaden. "Aber wir werden auf dem Parteitag genau prüfen, wie viel SPD in dem Koalitionsvertrag steht."
Etliche Vertreter aus der SPD-Führung scheinen enttäuscht, dass die Linke ihr Entgegenkommen nicht ernsthaft gewürdigt habe. "Immerhin haben wir mit der Aufnahme der Sondierungsgespräche ein Tabu gebrochen und die Linke quasi als demokratischen Partner anerkannt", sagt der Landtagsabgeordnete Heiko Gentzel.
In den Verhandlungen mit der CDU stimmte dagegen von Beginn an die Chemie. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Dieter Althaus und der Nominierung von Sozialministerin Christine Lieberknecht als potenzielle Nachfolgerin war die wichtigste personelle Hürde genommen. Die CDU startete zudem eine Charme-Offensive. Sie signalisierte große Zugeständnisse, um nicht nach 19 Jahren Regierungszeit auf der Oppositionsbank zu landen.