Berlin. Die Einschläge kommen vier Wochen vor der Bundestagswahl näher: Nachdem bereits bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai der Sieg von Horst Köhler vorab über die Kurznachrichten-Plattform Twitter (engl. für zwitschern) durchgesickert war, wurden am Sonntag erste Zahlen über den Ausgang der drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland ausgezwitschert - eineinhalb Stunden vor 18 Uhr. Politik und Bundeswahlleiter sind alarmiert.
Nach dem Bundeswahlgesetz ist es verboten, dass die Prognosen vor Schließen der Wahllokale um 18 Uhr veröffentlicht werden. Auf diese Weise soll eine Beeinflussung des Wahlverhaltens ausgeschlossen werden. Doch die gesetzliche Regelung stammt aus der Zeit vor Erfindung des Internets. Und Twitter ist ein Medium, mit dem sich Nachrichten rasend schnell verbreiten lassen - und damit in kürzester Zeit einem großen Empfängerkreis erreichen.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnte daher am Montag eindringlich davor, dass ein Durchsickern von Prognosen bei der Bundestagswahl am 27.September Einfluss auf das Wahlergebnis haben könne. Und Bundeswahlleiter Roderich Egeler rief die Wahlforschungsinstitute auf, mit den Zahlen "äußerst restriktiv umzugehen".
Undichte Stellen gibt es nämlich theoretisch nicht nur bei den Instituten. Weil diese ihre Prognosen, die auf Wählerbefragungen am Wahltag beruhen, nicht nur den Fernsehsendern zur Verfügung stellen. Sie werden im Laufe der Wahlnachmittage auch einem kleinen Kreis von Politikern zur Verfügung gestellt, damit diese bereits frühzeitig auf die Ergebnisse reagieren können, "sprachfähig" sind.
Im aktuellen Fall ist bislang nicht bekannt, woher die Zahlen stammten. Bekannt ist aber, dass sie wohl über den Internetzugang eines CDU-Politikers aus dem sächsischen Radebeul ins Twitternetz eingespeist wurden - der Politiker bestreitet, etwas damit zu tun zu haben.
Das Ausplaudern der Zahlen kann mit einer Geldstrafe von bis zu 50 000 Euro bestraft werden. Angesichts der anstehenden Bundestagswahl wird aber bereits über weitergehende Regelungen nachgedachten. So schlug der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), vor, dass die Institute ihre Zahlen erst sehr spät an Politiker weiterleiten sollen. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz will sogar ein Verbot der Wählerbefragung am Wahltag prüfen. Auch ein Sprecher des Bundeswahlleiters schloss eine gesetzliche Änderung nicht aus.