Berlin. Wenn in Berlin eine Große Koalition regiert, müssen Union und SPD Federn lassen - und die kleinen Parteien werden größer. In etwa bewahrheitete sich diese alte Weisheit auch am Sonntagabend.
Die SPD ist nur noch für Ergebnisse zwischen 10 und 25 Prozent gut, während die CDU von dieser Schwäche nicht profitieren kann - im Gegenteil: Sie verliert, zumindest im Saarland und in Thüringen, sogar zweistellig.
Dagegen können die so genannten kleinen Parteien zurzeit vor Kraft kaum laufen. Die FDP konnte ihre Ergebnisse durch die Bank fast verdoppeln und in Sachsen mit der SPD auf Augenhöhe kommen.
Ohne die Grünen läuft im Saarland und in Thüringen nichts; in Saarbrücken sind sie das Zünglein an der Waage und können - theoretisch - zwischen Rot-Rot-Grün und Schwarz-Gelb-Grün wählen. Und die Linke hat im Osten ihren Status als Volkspartei gefestigt und im Saarland aus dem Stand heraus dank des Lafontaine-Effekts ein überaus bemerkenswertes West-Ergebnis erzielt.
Trotzdem ließen sich auch am Sonntagabend die großen Parteien im Schönmal-Wettbewerb nicht überbieten. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach immerhin von "Licht und Schatten", überbetonte dann aber den erwarteten Wechsel in Sachsen von Schwarz-Rot zu Schwarz-Gelb, der Wunschkonstellation seiner Partei nach der Bundestagswahl am 27. September.
Geradezu euphorisch wirkte dagegen SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Er verwies auf die "dramatischen Verluste" der CDU und zeigte sich kämpferisch: "Eines ist sicher: Schwarz-Gelb ist nicht gewollt in diesem Lande."
Tatsächlich konnte sich Steinmeier ziemlich gelöst geben. Nach den Wahlniederlagen in Hessen, bei der Bundespräsidenten- und der Europawahl brauchte er dringend diesen gefühlten Sieg, auch wenn dieser allein im Absturz der Konkurrenz in Erfurt und Saarbrücken besteht.
"Ich bin stolz auf meine Partei", rief Steinmeier den in Berlin versammelten Anhängern zu - eine merkwürdige Aussage angesichts der für sich betrachtet miserablen Ergebnisse für die SPD.
Immerhin deutete sich schon am Sonntag an, dass die SPD mit ihrer Einschätzung richtig lag, eine Anti-Rot-Rot-Kampagne der Union wenige Wochen vor der Bundestagswahl nicht fürchten zu müssen. Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel höchstselbst warnte ihre Partei vor einem "Rote-Socken-Wahlkampf": "Wer glaubt, nur gegen etwas Wahlkampf führen zu können, wird scheitern", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" noch vor dem Urnengang.
Ihr General Pofalla und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) folgten am Sonntagabend dieser Linie und schlossen es aus, die roten Socken aus dem Keller zu holen.