US-Kongress: Merkel erobert die Herzen

Rede: Die Kanzlerin nutzt ihre Rede vor dem US-Parlament, die enge Freundschaft mit den Gastgebern zu betonen.

Washington. Keinem deutschen Bundeskanzler seit Konrad Adenauer wurde die Ehre zuteil, vor dem amerikanischen Kongress zu sprechen. Fast 20 Jahre nach dem Fall der Mauer nahm Kanzlerin Angela Merkel die Chance zum Anlass, um über deutsche Geschichte zu reflektieren und über die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen zu reden.

Selbstsicher, souverän und entspannt sprach die Kanzlerin 35 Minuten lang vor dem ehrwürdigen Publikum in Washington. Mit der ersten Ovation wurde Merkel gefeiert, als sie ihren Gastgebern für die außerordentliche Ehre dankte, kurz vor dem 20. Jahrestag des Mauerfalls im Kongress auftreten zu dürfen. Sie erinnerte an ihr eigenes Leben in der DDR, an die bewegende Aufforderung von Ex-Präsident Ronald Reagan "Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!" und dankte den USA für ihren Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung.

Auf wiederholten Beifall stieß jeder Hinweis auf gemeinsame Werte, Ziele und Interessen. Neben dem Glauben an Freiheit, die Würde und Verantwortung jedes Einzelnen verbinden Europa und die USA auch globale Herausforderungen. Hinter ihr sitzend lauschte der außenpolitisch versierte Vizepräsident Joe Biden aufmerksam den Worten der Kanzlerin, während Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, das eine oder andere Mal zum Handy griff und eine SMS verschickte.

Mühelos schlug Merkel dann den Bogen von Nostalgie zur Weltpolitik und schwenkte dabei ganz auf die Linie Obamas ein, den sie vor dem Kongressauftritt zu einem Vieraugengespräch getroffen hatte: Eine Atommacht Iran sei nicht verhandelbar. Um die nuklearen Ambitionen Teherans einzudämmen, seien notfalls auch scharfe Wirtschaftssanktionen erforderlich. Energisch sprach sich Merkel für eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten aus und bekräftigte: "Wer Israel bedroht, der bedroht auch uns."

Angela Merkel ließ die Gelegenheit nicht aus, ihr Publikum an den massiven deutschen Beitrag im gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus zu erinnern. In Afghanistan stelle Deutschland nach den USA und Großbritannien das drittgrößte Truppenkontingent. "Wir werden uns weiterhin unserer Verantwortung stellen", versprach die Bundeskanzlerin und wurde erneut vom Applaus der US-Politiker unterbrochen.

Schließlich ging sie auf die Bedeutung einer globalen Finanzmarktarchitektur sowie gemeinsamer Anstrengungen zum Klimaschutz ein und forderte die Verständigung auf verbindliche Richtlinien zur Begrenzung des Schadstoffausstoßes. Die Kanzlerin schloss in englischer Sprache mit dem Versprechen, Deutschland werde auch in Zukunft ein "starker und verlässlicher Partner der USA sein". Was folgte, war die mindestens zehnte stehende Ovation und der krönende Abschluss einer historischen Rede, mit der Merkel ihrem Land unter den einflussreichsten US-Politikern zweifellos neuen Respekt verschaffte.