Analyse: Guttenbergs Tabubruch beim Begriff Krieg

Der neue Minister spricht von „kriegsähnlichen Zuständen“ in Afghanistan.

Berlin. Wo sich sein Vorgänger bis zuletzt hartnäckig zierte, spricht der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aus, was viele Soldaten und weite Teile der Öffentlichkeit seit langem denken: "In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände." Mit nur einem Satz, gesagt im "Bild"-Interview, hat der CSU-Politiker damit die als verharmlosend kritisierte Sprachregelung von Franz Josef Jung (CDU) aufgehoben.

Der ins Arbeitsministerium gewechselte Jung hatte bei jedem in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten beteuert, es handele sich um einen "Einsatz für die Stabilität und friedliche Entwicklung des Landes". Jung stützte sich dabei stets auf die im Völkerrecht festgehaltene Position, dass nur Staaten gegeneinander Krieg führen können, die Taliban aber nun mal kein Staat, sondern eine Ansammlung von Aufständischen seien.

Guttenberg räumt mit dieser Definitions-Debatte auf, ohne offiziell von Krieg in Afghanistan zu sprechen. "Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?", sagte der Minister. Er verstehe jeden Soldaten, der sich in Afghanistan in einem Krieg empfindet, egal, ob er nun von "ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde".

Der Bundeswehrverband wertete die Klarstellung Guttenbergs als überfällig, obwohl sich dadurch im engeren militärischen Sinne nichts ändere. Indem der Minister die Dinge aber klar beim Namen nenne, werde der Ernst der Lage deutlich, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch.

Vorsichtiger äußerte sich Guttenberg zu der Frage, ob der Bundestag im Dezember grünes Licht für die Entsendung weiterer Soldaten nach Afghanistan geben wird. Derzeit liegt die Obergrenze des Mandats, das am 13. Dezember verlängert werden muss, bei 4500. In Kreisen der schwarz-gelben Koalition zeichnet sich ab, dass frühestens nach der großen Afghanistan-Konferenz Anfang 2010 über die Frage der Neubemessung des militärischen Personal entschieden werden soll.