Göteborg. Deutschland wird schon bald wieder am Brüsseler Defizitpranger stehen. Dazu will die EU-Kommission Mitte November ein neues Defizit-Strafverfahren eröffnen. Das wurde gestern in Göteborg am Rande des EU-Finanzministertreffens bekannt. Berlin wird nach früheren Angaben für das laufende Jahr eine Neuverschuldung von 3,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) melden - erlaubt sind höchstens drei Prozent. Für das kommende Jahr werden rund sechs Prozent angenommen.
EU-Währungskommissar Joaquín Almunia kündigte offiziell neue Verfahren gegen neun EU-Staaten an, nannte aber keine Ländernamen. Almunias Kurs wird laut Diplomaten die neue Bundesregierung unter Druck setzen, die Staatsfinanzen zu sanieren. Union und FDP hatten angekündigt, nach der Bundestagswahl die Steuern senken zu wollen.
Deutschland war bereits Mitte des Jahrzehnts mit einer Brüsseler Strafprozedur konfrontiert, die 2007 wegen guter Führung geschlossen wurde. Bei den Verfahren drohen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen, die in der Praxis aber bisher nicht verhängt wurden. 2008 hatte Berlin nur ein Mini-Defizit von 0,1 Prozent ausgewiesen.
Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise steigen die Defizite in der EU dramatisch an. Gegen elf Länder laufen bereits Verfahren, unter anderem gegen Frankreich, Irland, Griechenland und Spanien.
Der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, sagte, die Euro-Staaten sollten von 2011 an anfangen, zu sparen und die öffentlichen Haushalte zu sanieren. "Es ist derzeit noch zu früh, die Konjunkturprogramme zurückzuziehen", sagte er mit Blick auf die noch unsichere Wirtschaftslage. Falls die Konjunktur wieder richtig anspringe, müsse in den meisten Staaten allerdings mehr gespart werden als die jährlichen 0,5Prozent vom BIP. Dieser Wert ist im Euro-Stabilitätspakt festgelegt.
Ein fester Zeitplan zum Sparen ist in der EU bisher umstritten. Eine Ausstiegsstrategie aus der Krise soll beim Gipfeltreffen der EU Mitte Dezember in Brüssel beschlossen werden. dpa