Wie Breivik das Gericht als Bühne nutzt
Der als Massenmörder angeklagte Rechtsradikale inszeniert seinen Auftritt mit eisiger Gleichgültigkeit.
Oslo. Über das Gesicht von Anders Breivik huscht immer wieder dieses eisige Lächeln. Erhaben will er erscheinen, unnahbar, gefühlskalt. Der als Massenmörder angeklagte Rechtsradikale ist zufrieden mit sich und damit, 77 Menschen getötet zu haben. „Ich gebe die Taten zu“, sagt er fast gleichgültig vor Gericht. Kühl kalkulierend nutzt Breivik den Prozess vom ersten Augenblick an als Bühne. Angehörige brechen innerlich zusammen. Plötzlich weint auch er — bewegt von seiner eigenen grausamen Botschaft, doch ohne jede Reue.
Diesen Moment hatte sich der 33-Jährige sicher lange ausgemalt: Als ihm die Handschellen abgenommen werden, schlägt er die rechte Faust vor die Brust, hebt den Arm fast wie zum Hitlergruß. Er schaut in die Kameras. Wieder dieses Lächeln. Mit dem Prozess beginne die „Phase der Propaganda“, hatte Breivik in seinem Manifest geschrieben. Der Islamhasser will zum Mythos werden.
Seine unfassbaren Taten haben Norwegen im vergangenen Sommer den Atem genommen. Bei der Explosion einer gewaltigen Bombe im Osloer Regierungsviertel starben acht Menschen, Hunderte wurden verletzt. Dann das Massaker auf der Ferieninsel Utøya, wo Breivik in einem sozialdemokratischen Ferienlager 69 Menschen tötete. Vielen der Jugendlichen schoss er direkt in den Kopf. Eine Straftat aber sei das alles nicht gewesen. Kalt sagt Breivik vor Gericht: „Nicht schuldig.“ Notwehr gibt er an — schließlich sei Norwegen von der Islamisierung bedroht.
Gefühllos starrt er vor sich hin, als Staatsanwältin Inga Bejer Engh eine Stunde lang mit monotoner Stimme detailliert von jedem seiner 77 Opfer berichtet. Ihre wenigen Worte schmerzen und zeigen Wirkung. Im Gerichtssaal fließen Tränen, die Angehörigen der Opfer umarmen sich, stützen sich gegenseitig. Breivik dagegen wirkt ungerührt. Die Augen fast geschlossen, bewegt er sich kaum. Ab und an nur huscht ein Lächeln über sein Gesicht.
Das entgeht auch den Psychiatern nicht, die Breivik die gesamte Zeit über aufmerksam beobachten. Sie sollen helfen, die wohl wichtigste Frage des zehnwöchigen Prozesses zu beantworten: Ist der Attentäter geisteskrank? Sie sehen, wie der Massenmörder lächelnd einer Tonaufnahme zuhört, auf der ein Mädchen die Polizei nach Utøya ruft, während um sie herum Freunde sterben. Es ist der emotionalste Augenblick des Prozesses: „Kommt schnell, kommt schnell“, wispert das Mädchen auf der Aufnahme in Panik — Schüsse und Schreie im Hintergrund. Breivik atmet tief durch, reagiert sonst kaum. Um ihn herum wird die Schockstarre von leisem Weinen der Angehörigen durchbrochen.