Hintergrund Wie es zu Neuwahlen kommen könnte

Berlin · Selbst ein Scheitern der GroKo würde noch nicht automatisch zur Auflösung des Bundestages führen. Ein Überblick.

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Viele reden jetzt über vorgezogenen Neuwahlen, doch das geht nicht so einfach. Wenn überhaupt, muss es einen politischen Willen der großen Parteien dazu geben. Und dann haben immer noch die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident die Entscheidung in der Hand. Die SPD könnte Neuwahlen alleine nicht bewirken, selbst wenn sie wollte.

Politisch spricht aus Sicht der GroKo klar gegen Neuwahlen, dass beide Parteien dabei nach heutiger Sachlage verlieren würden. Die SPD würde womöglich regelrecht marginalisiert, die Union müsste den Verlust der Kanzlerschaft an die Grünen befürchten. Deshalb wollen beide Parteien, Stand heute, so lange wie möglich durchhalten.

Am ehesten ist eine Änderung dieser Position in der SPD denkbar – per Parteitagsbeschluss oder durch einen Mitgliederentscheid. Im Herbst, bei der ohnehin geplanten Zwischenbilanz der Großen Koalition könnte es so weit sein. Freilich: Wer immer die GroKo scheitern lässt, muss dann in einem möglichen Wahlkampf mit dem Makel leben, derjenige gewesen zu sein, der Deutschland instabil gemacht hat. Jedenfalls würde der ehemalige Regierungspartner so argumentieren. Keiner will diesen Schwarzen Peter haben. Das dürfte viele in der SPD von einer vorzeitigen Scheidung abhalten, bei in der Union ebenso.

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Aber angenommen, es kommt anders, dann geht es immer noch um einen rechtlich sauberen Weg zu Neuwahlen. Und der geht nach dem Grundgesetz nur über eine Vertrauensfrage der Kanzlerin. Angela Merkel hat es voll in der Hand, ob sie die stellt oder nicht. Selbst wenn die SPD die Koalition verließe, müsste Merkel das nicht tun, sondern könnte mit einer Minderheitsregierung weitermachen. Oder eine neue Koalition mit den Grünen und der FDP schmieden.

Aber angenommen, sie entschlösse sich doch zur Vertrauensfrage und bekäme tatsächlich nicht mehr die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich (also keine absolute Mehrheit): Dann hätte der Bundespräsident immer noch die Entscheidung, ob er Neuwahlen anberaumt. Alternativ könnte Frank-Walter Steinmeier Merkel auch bitten, sich eine andere Koalition zu suchen, etwa Jamaika. Oder bis zum regulären Wahltermin mit wechselnden Mehrheiten weiterzumachen. So wie Steinmeier nach der letzten Bundestagswahl agiert hat, als er nach dem Scheitern von Jamaika eine GroKo regelrecht erzwang, ist nicht zu erwarten, dass er den Weg zu Neuwahlen jetzt sehr schnell frei macht.

Natürlich könnte Merkel auch zurücktreten. Einfach so oder mit Annegret Kramp-Karrenbauer als Alternative. Das wäre der zweite Weg zu Neuwahlen, auch hier muss die Initiative von Merkel ausgehen. Steinmeier müsste dem Bundestag dann einen Nachfolger zur Wahl vorschlagen, wahrscheinlich AKK. Bekäme sie keine absolute Mehrheit, könnte Steinmeier innerhalb von drei Wochen Neuwahlen anordnen und würde es wahrscheinlich auch tun. Denn jetzt gäbe es eine andere Situation: Gescheiterte Koalition plus zurückgetretenen Kanzlerin. Der Urnengang müsste dann innerhalb der folgenden zwei Monate stattfinden. Die Wahrscheinlichkeit ist freilich äußerst gering, dass Merkel ihre lange Amtszeit so enden lassen will. Und auch, dass AKK so starten will.

Das mitunter genannte „konstruktive Misstrauensvotum“ führt übrigens nicht zu Neuwahlen. Denn der Sieger dieser Abstimmung, entweder die amtierende Kanzlerin oder ihr Gegenkandidat, würde dann regieren. Dem Grundgesetz geht es darum, dass es immer eine Regierung in Deutschland gibt – und dass diese die Wähler nicht beliebig oft zu den Urnen rufen kann.