„Coworking Toddler“ - Das Kleinkind kommt mit ins Büro
Berlin (dpa) - Die Babypause ist vorbei, der Job ruft. Wohin mit dem Kind? Oma und Opa wohnen oft weit weg, Kindermädchen sind teuer. Kinder im Windelalter bei der Kita abzugeben, fällt vielen Eltern schwer, Arbeiten zu Hause klappt oft nur in der Theorie - doch es gibt eine Alternative.
Während das Kind die Wohnung verwüstet noch zwischendurch die Waschmaschine anwerfen: So hat es die Anwältin Sandra Runge (37) erlebt. Die Mutter von zwei Söhnen gehört zum Team von „Coworking Toddler“.
Das Berliner Projekt verbindet die Idee des Gemeinschaftsbüros (Coworking Space) mit Kindern im Krabbelalter (Toddler). „Man hat die Möglichkeit, ohne schlechtes Gewissen zu arbeiten, weil man den Kontakt und die Nähe zu den Kindern hat“, sagt Runge.
Die „Coworking Spaces“ haben sich seit ein paar Jahren in vielen Städten ausgebreitet. Meist mieten sich in den Kollektiv-Büros Berufstätige ein, die nur einen Computer brauchen und sich gerne beim Cappuccino mit anderen austauschen. Kinder sind in Laptop-Zonen selten.
In Leipzig gibt es das Projekt „Rockzipfel“, das schon einige Ableger hat, darunter in Hamburg und München. Eltern oder Babysitter passen im Gemeinschaftsbüro auf den Nachwuchs auf. Eltern, die ihre Kleinen noch eingewöhnen, arbeiten mit Blickkontakt zum Kind, wie Gründerin Johanna Gundermann (37) erklärt. Andere, die wirklich arbeiten müssen und nicht mehr eingewöhnen, ziehen sich zurück. Sie werden nur geholt, wenn die Kinder sie brauchen.
Stillen, Wickeln, Füttern, ins Bett legen - das machen die „Rockzipfel“-Eltern. „Das Prinzip ist ja, dass sie für ihre Kinder in diesen wichtigen Schlüsselsituationen da sein sollen“, sagt Gundermann. Für die Erwachsenen blieben so etwa drei bis vier Stunden fürs eigene Arbeiten. Weil die kleinen Kinder Zeit zum Eingewöhnen brauchen, eignet sich der „Rockzipfel“ eher nicht zum Improvisieren, etwa bei Kita-Streiks.
Bei „Coworking Toddler“ in Berlin sollen sich professionelle Erzieherinnen um die Kinder kümmern. Geplant ist eine Vollzeitbetreuung. Die Mütter und Väter können in Kontakt mit dem Nachwuchs bleiben und zusammen Mittag essen. Der Austausch mit den Erzieherinnen soll sich nicht auf Flurgespräche beschränken. Wenn der Sohn abends eine Beule hat, weiß die Mutter, wie das tagsüber passiert ist.
Eine Idee ist, dass ein Pieper am Schreibtisch den räumlich getrennt sitzenden Eltern Bescheid gibt, wenn ihr Kind sie braucht. Etwa sechs bis sieben Stunden Arbeit könnten für die Eltern möglich sein, schätzt Sandra Runge. Zur Zielgruppe gehören Selbstständige, Angestellte, die zu Hause im „Home Office“ arbeiten können, oder Firmen, die ihren Mitarbeitern einen familienfreundlichen Wiedereinstieg bieten wollen.
Noch ist das „Toddler“-Projekt in der Startphase, im Sommer soll es losgehen. Das pädagogische Konzept steht, die Immobiliensuche läuft noch. „Wir haben sehr viele Interessenten“, sagt Runge zur Resonanz. Kein Wunder: In den familienreichen Vierteln wie im Prenzlauer Berg wird Kinderbetreuung wohl mindestens genauso viel diskutiert wie der Wohnungsmarkt.
Viele Kinder und Eltern mit unterschiedlichen Erziehungsansichten auf einem Haufen, kann das gutgehen? Für Runge ist das auch eine Frage der Etikette. „Gewisse Regeln müssen einfach eingehalten werden“, sagt sie.
Für das Team hat das Projekt Potenzial, Filialen sind möglich. „Unser Ziel ist, in Berlin zu zeigen, dass wir es können“, sagt Runges Kollegin, Journalistin Juliane Gringer (34), die ihre knapp zwei Jahre alte Tochter Ava auf dem Schoß hat. Die kennt es schon, wenn die Mutter den Laptop vor ihr ausklappt.