Den Vorgesetzten verstehen lernen

Köln (dpa/tmn) - Was der Chef sagt und was er meint, sind oft zwei verschiedene Dinge. So erleben es jedenfalls viele Untergebene. Kein Wunder: Denn die Chefsprache ist eine ganz eigene. Wer den Vorgesetzten verstehen will, muss lernen, seine Worte richtig zu übersetzen.

Eine Aufgabe bedeutet „große Verantwortung“? Wenn der Chef das sagt, heißt es im Klartext: „Das ist strunzlangweilig, und außer Ihnen möchte ich das niemandem antun.“ So erklärt es die TV-Figur Bernd Stromberg in einem Wörterbuch für Chefsprache. Was der Berufszyniker im Spaß meint, ist für viele bitterer Ernst: Sie verstehen ihren Vorgesetzten einfach nicht. Das lässt sich ändern.

Mal macht der Abteilungsleiter einen auf Kumpel und plaudert nett auf dem Flur, dann wieder staucht er das Team zusammen. Am Ende fragt sich mancher: „Was will der eigentlich von mir?“ Um das herauszufinden, rät der Psychologe und Businesscoach Manuel Tusch aus Köln: „Gehen Sie in den Schuhen des anderen.“ Das soll heißen: Mitarbeiter sollten einmal versuchen, die Chefperspektive einzunehmen und sich in ihn einzufühlen. „Ich erkenne dann möglicherweise, dass viele Dinge gar nicht persönlich oder gar böse gemeint sind.“

Oft sind es Missverständnisse, die für Unmut sorgen. Ein Beispiel: Der Vorgesetzte gibt einem eine wichtige Aufgabe und sagt, dass die Sache „absolute Prio hat“, also sehr dringend ist. Man erledigt die Sache so schnell wie möglich und gibt dem Chef per E-Mail Bescheid. Und er? Gibt einem tagelang keine Antwort. Das muss aber nicht heißen, dass er mit der Arbeit nicht zufrieden war - es kann auch einfach an Stress und Zeitmangel liegen. „Der Chef bekommt Dutzende E-Mails am Tag. So dauert es vielleicht eine Woche, bis er antwortet“, erklärt Tusch. „Man sollte sich verdeutlichen: Ich habe nur einen Chef, aber der Chef hat Dutzende Mitarbeiter.“

Genau das sorgt bei vielen Beschäftigten aber für Frust. So findet nur etwa jeder fünfte Arbeitnehmer, dass er Lob und Anerkennung für gute Arbeit erhält. Das hat die Unternehmensberatung Gallup in Berlin ermittelt. Auch nach einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin schneiden Chefs eher schlecht ab, wenn es um ihre Führungsqualität geht. Hierbei vergeben Arbeitnehmer im Schnitt nur 69 von 100 Punkten.

„Hinsichtlich eines guten Führungsstils geht es den Mitarbeitern häufig darum, ob die Arbeit gut geplant ist und welchen Handlungsspielraum sie selbst haben“, erklärt Ralf Stuth vom DGB. „Außerdem hängt viel von der Wertschätzung der eigenen Arbeit ab.“ Ein „Danke“, ein Schulterklopfen oder Ermuntern, das sei es, was Arbeitnehmer sich von ihren Chefs wünschten.

Kommt das zu selten, fühlen sich Mitarbeiter schnell missachtet. Jede kritische Äußerung des Chefs, jedes falsche Wort wirkt dann umso härter. „In diesen Fällen rate ich, mit Freunden oder der Familie über die Situation zu sprechen“, rät der Führungskräftetrainer Ingo Krawiec von der Managementberatung Lüders & Partner in Forst bei Karlsruhe. So lasse sich vielleicht klären, ob die Lage wirklich so schlimm ist, oder ob man sich in etwas hineingesteigert hat.

Bevor der Frust sich zu sehr aufstaut, rät Krawiec zu einem Gespräch mit dem Vorgesetzten: „Der Ärger sollte nicht wie Rabattmarken gesammelt werden.“ Unterbricht einen der Chef etwa während eines großen Meetings, kann das für Unsicherheit sorgen. Passiert so etwas öfter, sollte man es ansprechen und dem Chef sagen, dass man sich dabei unwohl fühlt. Manuel Tusch rät, ein solches Gespräch mit einem Wunsch statt einer Forderung zu beenden. „'Ich wünsche mir öfters ein Feedback', könnte man beispielsweise sagen.“

Literatur:

Stromberg, Bernd: Chef - Deutsch/Deutsch - Chef, Langenscheidt, 128 Seiten, 9,99 Euro, ISBN-13: 978-3468731129

Tusch, Manuel/Kitz, Volker: Das Frustjobkillerbuch - Warum es egal ist, für wen Sie arbeiten, Heyne, 256 Seiten, 8,99 Euro, ISBN-13: 978-3453650114

Krawiec, Ingo: Umgang mit Vorgesetzten, Cornelsen, 128 Seiten, 6,95 Euro, ISBN-13: 978-3589235186