Wenn alle anderen älter sind Die Herausforderungen der Uni-Küken
Freiburg (dpa/tmn) - Als Malin anfing, in Freiburg Mathe zu studieren, war sie gerade einmal 16 Jahre alt. Die meisten ihrer Mitstudenten waren schon Anfang 20.
„Am Anfang war es komisch, vor meinen Kommilitonen Vorträge zu halten oder etwas an der Tafel vorzurechnen, weil ich wusste, dass sie alle viel älter sind als ich. Ich hatte das Gefühl, mich irgendwie beweisen zu müssen und zu zeigen, dass ich berechtigt bin, dort zu sein“ , erzählt die heute 20-Jährige.
Malin war eine von knapp 2700 Studenten unter 18 Jahren, die sich im Wintersemester 2013 neu an den deutschen Hochschulen einschrieben. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren aufgrund des verkürzten Abiturs (G8) gestiegen. Nahmen 2010 noch knapp 840 Minderjährige ein Studium auf, waren es im Studienjahr 2015 fast 3740 Erstsemester unter 18.
Bürokratische Hürden an den Hochschulen gibt es nur noch wenige. Zwar sind Minderjährige rechtlich gesehen nur beschränkt geschäftsfähig. Damit sie aber an der Hochschule selbstständig handeln können, holen die meisten Unis laut Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu Beginn des Studiums eine Generaleinwilligung der Eltern ein. Diese umfasst in den meisten Fällen alle studienbezogenen Aktivitäten, wie die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, Prüfungen und Exkursionen, die Nutzung der Bibliothek und der IT-Dienste und die Ausübung des Uniwahlrechts.
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben darüber hinaus ihre Hochschulgesetze entsprechend angepasst, so dass minderjährige Studenten in allen Belangen des Studiums Volljährigen gleichgestellt sind.
Ganz unabhängig sind minderjährige Studenten aber trotz dieser Regelungen nicht. Ohne erziehungsberechtigte Begleitung ist um Mitternacht Schluss mit dem Feiern. Und auch beim Auszug sind Minderjährige noch auf Mama und Papa angewiesen: „Der Mietvertrag muss von den Eltern unterschrieben werden“, gibt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk zu bedenken.
Elisabeth Kummert von der Studienberatung der Uni Frankfurt sieht in der fehlenden Erfahrung der jungen Abiturienten die größte Herausforderung. „Die Jugendlichen durchlaufen die Schule, wachsen in der Regel sehr behütet auf und fangen dann mit dem Studium an, ohne nach dem Abitur noch etwas anderes gemacht zu haben. Die Erfahrungen sind dann einfach sehr begrenzt“, erzählt sie. Da könne es passieren, dass das Studium erst einmal ein Schock ist und die mit den Freiheiten eines Studiums verbundene Selbstorganisation schwerfällt.
Leistungsmäßig gab es bei Malin nie Probleme. Doch den Altersunterschied zu ihren Kommilitonen hat sie schon gespürt: „Der Abstand war noch einmal größer als in der Schule“, sagt sie. Malin merkte schnell, dass sie selbst doch noch in der Pubertät steckte und sich die anderen über manche Dinge schon viel klarer waren als sie selbst.
Kummert beobachtet, dass bei Minderjährigen sehr viel öfter die Eltern mit in die Studienberatung kommen. Als negativ sei das zunächst nicht zu bewerten: „Am Anfang ist es sinnvoll, wenn die Eltern involviert sind, aufgrund der ganzen Formalien, die einzuhalten sind.“ Allerdings: „Sowie das erste Semester anfängt, ist jeder Studierende selbst für sein Studium und die Studienorganisation verantwortlich, egal, wie alt er ist.“
Auch Jutta Boenig hält es für problematisch, dass immer mehr Uniabsolventen erst Anfang 20 sind. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung. Junge Leute, vor allem jene, die sich ausschließlich Schule und Studium widmen, seien unter Umständen noch nicht reif genug, um in der Arbeitswelt bestehen zu können. Sie rät Jugendlichen, sich neben Schule und Studium auch in Vereinen und anderen Organisationen zu engagieren, durch Praktika und Nebenjobs in die Arbeitswelt zu schnuppern und zu reisen.
So kann man es machen wie Malin. Nach ihrem Bachelorabschluss wird sie für ein halbes Jahr Schulkinder in Südafrika unterrichten. Danach will sie weiterstudieren. Zwar wird sie im Master vermutlich wieder eine der Jüngsten sein - dann aber um einiges reicher an Erfahrungen.