HIV am Arbeitsplatz: Selbst-Outing ist kein Muss

Berlin (dpa/tmn) - HIV-Positive müssen Arbeitskollegen nicht über ihre Erkrankung aufklären. „Wir raten niemandem pauschal, dass er sich am Arbeitsplatz outen oder dass er es nicht tun soll“, sagte Stefan Timmermanns von der Deutschen Aids-Hilfe.

„Die einen sagen: Das ist etwas ganz Privates, das geht die Kollegen nichts an.“ Andere wollten ihre Erkrankung nicht verstecken. „Manche sagen bewusst nichts, weil sie keinen Mitleidsbonus haben wollen“, erläuterte Timmermanns anlässlich des Welt-Aids-Tags (1. Dezember).

Timmermanns rät, dass ein Beschäftigter den souveränen Umgang mit der Infektion gelernt haben sollte, bevor er sich zu einem Outing entschließt. „So verstärkt er nicht die Vorbehalte und Ängste der Kollegen.“ Jeder, der diesen Schritt wagt, müsse sich fragen, ob er auch mit negativen Reaktionen umgehen könnte. Viele Mitarbeiter mit HIV fühlten sich ausgegrenzt und würden isoliert. „Das ist sehr niederschmetternd und löst oft Wut und Ärger aus. Manche verzweifeln daran und werden depressiv und antriebslos.“

Diskriminierung und Mobbing basierten fast immer auf Nicht-Wissen, Vorurteilen und Ängsten, erklärte Timmermanns. „Viele Kollegen haben Angst, sich auch mit dem HI-Virus zu infizieren.“ Dies sei im Arbeitsalltag aber völlig unbegründet. „Die Ängste sind irreal, aber sie sind da - und sie behindern oft die Zusammenarbeit.“ Häufig würden Kollegen mit HIV ausgegrenzt. Es komme zum Beispiel vor, dass ihnen nicht mehr die Hand gegeben wird.

Außerdem stellen sich viele die Frage: Ist der überhaupt noch leistungsfähig? Viele Kollegen haben Timmermanns zufolge Angst, dass sie in die Bresche springen und die Mehrbelastung tragen müssen. Dabei gebe es wirksame Medikamente gegen HIV. „Jemand, der sich heute infiziert, hat eine nahezu gleiche Lebenserwartung wie ein gesunder Mensch.“ Mit einer Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit müsse er nicht rechnen, solange er die Medikamente gut verträgt.

Um Diskriminierung vorzubeugen, gebe es kein Patentrezept. Aber es könne hilfreich sein, zum Beispiel Informationsbroschüren zur Hand zu haben und kompetent Auskunft über die Krankheit geben zu können. Der Betrieb könne auch einen Experten einladen, der die Mitarbeiter über die Infektion und ihre Folgen aufklärt. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass die Ängste bei den Kollegen Überhand gewinnen.“

Darüber hinaus sei es bei einem Coming-out als HIV-Positiver sicher nicht verkehrt, wenn der Mitarbeiter seinen Chef oder Vorgesetzten hinter sich weiß, sagte Timmermanns: „Das macht es leichter, darüber im Kollegenkreis zu sprechen.“ Am besten sollte die Firma ohnehin eine klare Anti-Diskriminierungs-Politik haben, auf die sich ein Mitarbeiter mit HIV im Zweifel berufen kann.