Jüdische Theologie an deutscher Uni - Rabbinerinnen auf dem Vormarsch
Potsdam (dpa) - Für manche Juden ist es eine Zeitenwende: Erstmals wird Jüdische Theologie als Studienfach an einer deutschen Universität gelehrt. Die Potsdamer „School of Jewish Theology“ steht auch nichtjüdischen Studenten offen.
Maximilian Feldhake hat sich bewusst entschieden - für das Judentum und für Deutschland. Der 25-Jährige aus Phoenix im US-Bundesstaat Arizona trat vor acht Jahren zum Judentum über. „Ich bin der einzige Jude in meiner Familie“, sagt er selbstbewusst. Mit 23 Jahren zog es ihn nach Deutschland - als Au-pair bei einer Familie in Dresden. Nun ist er seit dem Wintersemester einer von insgesamt 47 Studenten im ersten Studiengang des neugegründeten Instituts für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam.
„Ich will Rabbiner werden“, sagt Feldhake. „Und zwar in Deutschland, wo die wachsenden jüdischen Gemeinden die Unterstützung am nötigsten brauchen.“ Am Dienstag (19. November) hat das international ausgerichtete Institut „School of Jewish Theology“ offiziell eröffnet. Erstmals an einer deutschen Universität werden Rabbiner und Kantoren im Rahmen eines Theologiestudiums ausgebildet.
Für Professor Walter Homolka, Rektor des Rabbinerseminars am Berliner Abraham Geiger Kolleg, geht eine Forderung Geigers aus dem Jahr 1838 nach 175 Jahren in Erfüllung: „Erst wenn die Jüdische Theologie gleichberechtigt mit den christlichen Religionen an den Universitäten vertreten ist, ist die Emanzipation der Juden in Deutschland vollendet.“ Homolka ist einer von sechs Professoren jüdischen Glaubens, die nun in Potsdam unterrichten.
Dafür musste der brandenburgische Landtag eigens das Hochschulgesetz ändern, damit bekenntnisgebundene Berufungen der Professoren möglich wurden. „Erstmals steht nun die jüdisch-theologische Ausbildung gleichberechtigt mit den christlichen Theologien und den islamischen Studien in der Mitte von universitärer Wissenschaft und Forschung“, sagte Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos). Das Land finanziert zwei Professoren, drei weitere werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung getragen.
Der Bachelorstudiengang ist auch europaweit einmalig und steht Studenten unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit offen. Allerdings können sich nur jüdische Studierende in Verbindung mit einer praktischen Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg für die liberale Glaubensrichtung oder mit dem konservativ ausgerichteten Zacharias Frankel College zum Rabbiner oder Kantor ausbilden lassen. Derzeit studieren 37 Studenten mit dem Berufsziel Rabbi oder Kantor sowie zehn Theologiestudenten im neuen Studiengang. Nach fünf Jahren Studium ist auch ein Masterabschluss möglich.
Schon der erste Studienjahrgang zeigt, dass im Rabbinat die Frauen auf dem Vormarsch sind - die Hälfte der Studierenden sind Frauen. Darunter ist die 30-jährige Jasmin Bruck, die erst nach einem Jura-Studium zu ihrer neuen Berufung fand. Sie wurde in Tel Aviv geboren und kam als Zweijährige mit ihren Eltern nach Berlin. Von dort waren ihre Großeltern Ende der 30er Jahre vor den Nationalsozialisten nach Palästina geflohen.
Als Studentin jobbte Bruck in Berlins Jüdischem Museum. Schließlich reifte in ihr der Entschluss, Rabbinerin zu werden. In Deutschland ist sie vorerst eine von wenigen Frauen, doch das wird sich ändern, hofft sie: „„Noch vor zehn Jahren war die Vorstellung einer Bundeskanzlerin außergewöhnlich. Ich hoffe, dass es, was Rabbiner betrifft, genauso wird.“ Und nach ihrem Abschluss kann sie sich vorstellen, eine Gemeinde in Berlin zu übernehmen. „Ich bin hier stärker verwurzelt als die Generationen vor mir.“