Software statt Schweißgerät Neues Arbeiten in der Autoindustrie

Bergisch Gladbach (dpa/tmn) - „Die Formel für die Mobilität der Zukunft ist „Software mal Dienstleistungen““, sagt Prof. Stefan Bratzel, Direktor des Center for Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

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Das klingt kompliziert.

Die Autoindustrie in Zukunft wird viel mehr machen, als nur Fahrzeuge herzustellen. Wenn es um BMW und Daimler, Opel und Volkswagen geht, fällt oft das Wort Autobauer. Ganz korrekt ist der Begriff aber eigentlich nicht mehr. Die Konzerne haben bereits eigene Carsharing-Angebote, werden also vom reinen Hersteller zum Autovermieter. Zunehmende Vernetzung verwandelt Autos in rollende Computer. Und Assistenten und Autopiloten nehmen dem Fahrer immer mehr Arbeit ab.

Und damit kommen auch auf die Beschäftigten der Autoindustrie große Veränderungen zu. Denn alle diese neuen Geschäftsmodelle und Autopiloten wollen ja entwickelt werden: von Unternehmensberatern, Datenexperten und Softwarespezialisten. Kein Wunder, dass die großen Automobilkonzerne händeringend nach solchen Fachkräften suchen. Und auch beim Bau der Fahrzeuge selbst wird nach einhelliger Expertenmeinung kaum ein Stein auf dem anderen bleiben.

Einen guten Elektromotor zu bauen, erfordert zum Beispiel andere Kenntnisse als die Konstruktion klassischer Verbrennungsmotoren, so Bratzel. Denn effizient wird ein solcher Motor erst durch gute Steuersoftware. Deshalb sind hier vor allem Programmierer gefragt. Und auch Chemiker werden künftig eine viel größere Rolle in der Motorenentwicklung spielen, glaubt der Experte. Denn die wissen, was im Akku eines Elektromotors vor sich geht - und damit auch, wie man diesen besser macht.

Vielleicht die größten Veränderungen stehen aber in der klassischen Produktion an, also dort, wo Autos tatsächlich vom Band rollen. Denn wie in vielen anderen Branchen werden auch in der Autoindustrie künftig noch mehr Roboter so manche Arbeit übernehmen. „Wir sehen generell eine hohe Substituierbarkeit für fertigungstechnische Berufe“, sagt Katharina Dengler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.

Die Wissenschaftlerin untersucht Jobs auf ihre Substituierbarkeit - also darauf, inwiefern sie durch eine Maschine ersetzbar sind. Das Ergebnis ist teilweise ernüchternd: „64 Prozent der Tätigkeiten in den fertigungstechnischen Berufen könnten heute schon von Computern oder Maschinen erledigt werden“, erklärt Dengler. 64 Prozent Substituierbarkeit bedeutet allerdings nicht, dass künftig zwei Drittel der Jobs in den Fabrikhallen von Autokonzernen wegfallen. „Berufe werden nur in seltensten Fällen gänzlich verschwinden, sie werden sich vor allem verändern.“

Denn mit dem Siegeszug der Roboter wird sich auch die gesamte Produktionsweise der Autoindustrie verändern. „Wir werden in den nächsten Jahren in der Autoindustrie eine Abkehr von der Linienmontage sehen, hin zu einer modularen Montage“, sagt Ralf Bechmann von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. „Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass jeder Standort eines Automobilkonzerns künftig jedes Fahrzeug herstellen kann, nicht mehr nur einzelne Baureihen und abgeleitete Varianten.“

Damit das klappt, müssen aber nicht nur die Fabriken flexibler werden, auch die Mitarbeiter. „Es wird in Zukunft nicht mehr so sein, dass jeder Mitarbeiter jeden Tag den gleichen Arbeitsschritt ausführt“, sagt Bechmann. „Stattdessen wird es ständig wechselnde Anforderungen und einen häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes geben.“

Und natürlich werden künftig auch andere Fachkräfte gesucht als jetzt. So muss zwar nicht jeder Produktionsarbeiter IT-Spezialist sein, sagt Bechmann. Kenntnisse in Mechatronik und Softwareentwicklung würden aber immer wichtiger.