Ostfrauen haben bei der Jobquote weiter die Nase vorn
Gütersloh (dpa) - Die Mauer ist längst weg, doch weiterhin gehen deutlich weniger Frauen im Westen arbeiten als im Osten. Dafür machen Forscher die Sozialisierung in der DDR verantwortlich. Eine Angleichung sei noch lange nicht absehbar.
Sie ist Kunsthistorikerin, 32 Jahre alt und hat ihren Studienabschluss und den Einstieg ins Berufsleben als junge Mutter organisiert. „Für mich war nie die Überlegung, ob ich arbeiten gehe oder nicht. Die maximale Frage war, gehe ich voll arbeiten oder nur Teilzeit.“ Die Berlinerin ist noch in der DDR aufgewachsen. Genau wie ihr Lebensgefährte, mit dem die Online-Redakteurin heute zwei Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren hat. „Nee, verheiratet sind wir nicht. Für mich war immer wichtig, finanziell unabhängig zu sein und mich beim Job in einem Team voll einsetzen zu können.“
Typisch, sagt Barbara Riedmüller. Die Professorin der Freien Universität Berlin ist Expertin für Sozial- und Arbeitsmarktfragen. „In Westdeutschland steigen die Frauen aus, wenn sie ein Kind bekommen. Das kommt für Frauen in den neuen Bundesländern nicht infrage.“ Diese kulturelle Differenz werde sich noch lange halten und dafür sorgen, dass es unterschiedliche Frauen-Erwerbsquoten auf dem bundesweiten Arbeitsmarkt gibt, betont die Wissenschaftlerin.
Die Bertelsmann-Stiftung hat am Mittwoch (14. Januar) eine Studie zu Frauen in sozialversicherungspflichtigen Jobs veröffentlicht. Demnach macht der Westen zwar deutliche Fortschritte, aber die Kluft zwischen alten und neuen Bundesländern wird trotzdem nicht kleiner, im Gegenteil.
Für die Studie vergleichen die Forscher Zahlen der Jahre 2006 und 2012. Zwar hat demnach mehr als jede zweite Frau im Westen einen sozialversicherungspflichtigen Job. Die Quote stieg von 45,8 auf 50,9 Prozent. Dennoch wächst die Differenz zwischen Ost und West weiter an. Denn im Osten kletterte der Wert zugleich von 50,9 auf 57,9 Prozent.
Bundesweit liegt die Beschäftigungsquote der Frauen mit 51,8 Prozent immer noch deutlich hinter den Männern (59,2 Prozent). Kirsten Witte von der Stiftung bestätigt die Sicht der Berliner Forscherin Riedmüller. „Die Ost-Rollenbilder waren sehr lange egalitär geprägt - also beide Geschlechter in der Regel berufstätig. Im Westen ist dieses gleichberechtigte Doppelverdiener-Modell weniger stark verbreitet. Hier ist meist der Mann der Hauptverdiener“, sagt Witte.
Riedmüller spricht hier von einem Leitbild zu Frau, Mutter und Geschlechterrolle, das es so nur in im Westen der Bundesrepublik gebe. „Schauen Sie nach Frankreich. Dort kommt auch keine Frau auf die Idee, nicht arbeiten zu gehen. Und so war es auch in der DDR. Dort gab es die höchste Scheidungsrate der Welt, viele Paare lebten ohne Trauschein, eine gute Ausbildung, ein eigener Job und finanzielle Sicherheit war den Frauen in der DDR und den neuen Ländern immer schon sehr wichtig“, sagt Riedmüller.
Während zum Beispiel in der Politik Frauen längst mächtig aufgeholt hätten, gelte das für die Arbeitswelt noch nicht. „Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss für Frauen deshalb auch im Westen weiter vorangetrieben werden. Und auch die Männer müssen stärker integriert werden“, sagt die Professorin.
Für die Berliner Online-Redakteurin war Vereinbarkeit von Familie und Beruf nie ein Thema. „Meine Mutter hat mich um 6.00 Uhr am Morgen mit dem Rad in die Kita gebracht und nach ihrem Studium an der Uni um 18.00 Uhr wieder abgeholt. Weil ich dann immer das letzte Kind war, das abgeholt wurde, gab es von den Erzieherinnen immer einen Keks für mich.“