Raus aus der Nische - Klimaforscher sind immer gefragter
Mainz (dpa/tmn) - Die Erde heizt sich auf - doch echte Experten für den Klimawandel gibt es bislang nur wenige. Die Ausbildung müssen sich Studierende teils selbst zusammenpuzzeln. Dabei brauchen Unternehmen solche Spezialisten.
Im Sommer vertrocknet die Ernte auf den Feldern, im Winter verursachen Unwetter Milliardenschäden für die Versicherungen. Der Klimawandel ist dabei, zu einem entscheidenden Thema für die Weltwirtschaft zu werden. Für ganze Wirtschaftszweige sind Wetterprognosen unabdingbar geworden. Klimaexperten eröffnet das bislang ungeahnte Berufsperspektiven. Denn wer Unternehmen dabei helfen kann, sich auf die Wetterbedingungen der Zukunft einzustellen, wird wohl schon bald zu den heiß begehrten Kräften auf dem Arbeitsmarkt zählen.
So beschäftigt etwa der Rückversicherer Munich Re 35 Naturwissenschaftler, um die Risiken von Naturkatastrophen abzuschätzen. Fünf von ihnen sind ganz auf das Klima spezialisiert. „Wenn sich das Risiko von Wetterextremen wie Stürmen oder Überschwemmungen durch den Klimawandel ändert, müssen wir das frühzeitig erkennen und in unseren Risikomodellen berücksichtigen“, sagt Peter Höppe, Leiter der Abteilung Georisikoforschung.
Noch ist die Zahl der Klimafachleute in Deutschland eher klein. Etwa 100 Meteorologen verlassen die Unis jedes Jahr - und von denen will sich längst nicht jeder auf langfristige Klimaprognosen spezialisieren, sagt Prof. Volkmar Wirth, Leiter des Instituts für Physik der Atmosphäre an der Universität Mainz, das am Forschungszentrum Geocycles beteiligt ist.
Das mag auch daran liegen, dass man sich seine Ausbildung zum Klimaexperten ein Stück weit selbst zusammenpuzzeln muss. Denn obwohl alle Welt über den Klimawandel spricht, ist die Disziplin an den Hochschulen gerade erst im Aufbau. Einen einzigen Master-Studiengang für Klimawissenschaften gibt es seit 2010 in Hamburg. Die meisten Klimatologen kommen als Quereinsteiger aus der Meteorologie, einige auch aus der Ozeanographie, Geologie, Physik oder Mathematik.
Klimawissenschaftler müssen am Computer gigantische numerische Modelle entwickeln. Denn neben dem bekannten Kohlendioxid gibt es dutzende weitere Faktoren, die Einfluss auf Temperatur, Wolken, Niederschlag, Meeresströmungen oder die Polkappenschmelze haben - und all das beeinflusst sich dann noch einmal gegenseitig. Am Ende entstehen am Computer riesige Simulationen, die Auskunft über Klimaveränderungen der nächsten Jahrzehnte geben.
„Das Thema Klima wird drängender und drängender“, betont Prof. Wirth. „Kenntnisse von Wetter und Klima haben zunehmend auch einen kommerziellen Wert. Das ist mit Sicherheit ein Vorteil bei der Suche nach einer Arbeitsstelle.“
Doch der Bereich komme in Bewegung, beobachtet auch Oliver Dilly, Leiter der Graduiertenschule am Hamburger Klimacampus. Allmählich spiegele sich der Klimawandel auch in den Bilanzen einiger Unternehmen wider, deren Geschäft vom Wetter abhängig ist. „Unternehmen, die in einigen Jahrzehnten noch Erfolg haben wollen, müssen sich jetzt für den Klimawandel aufstellen“, betont er.