„Shared Professorship“: Zwischen Uni und Unternehmen

Karlsruhe (dpa) - Vom Hörsaal zur Werkbank und zurück: Mehrere Nachwuchswissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) pendeln zwischen Hochschule und Unternehmen. Eine spannende Kombination, aber auch ein schwieriger Spagat.

Wilhelm Schabel hat eine Vision: Er sitzt im Café und sein Handy ist leer. Statt hektisch nach einer Steckdose zu suchen, zieht er eine dünne Matte mit hauchdünnen Solarzellen aus dem Gerät. Und schon kann er telefonieren und seine Mails bearbeiten. Noch bringt die „Solarmatte“ nicht genug Leistung. Aber die Forschungen des Nachwuchswissenschaftlers vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) daran laufen auf Hochtouren.

Und das nicht nur an der Hochschule. Schnabel kann auch auf Labors mehrerer Firmen zurückgreifen. Möglich wird das mit dem Modell „Shared-Professorship“ (Teil-Professur), das KIT und Industrie gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Zurzeit sind fünf Nachwuchswissenschaftler je zur Hälfte beim KIT und in Unternehmen beschäftigt. Sie forschen auf der einen Seite rein wissenschaftlich, auf der anderen Seite sehr anwendungsorientiert. Schabel mit seinem Fachgebiet dünner Schichten für optische Folien und Lacke geht bei Bayer, BASF und Roche ein und aus.

Seine Kollegin Gisela Lanza hat sich Daimler als Partner ausgesucht. Über dem Schreibtisch der fröhlichen Schwäbin hängt der Werbeslogan des Bundeslandes: „Wir können alles, nur kein Hochdeutsch.“ Und so hält sie es auch selbst. Auf Schwäbisch erklärt sie, wie sie ihre Arbeit als Professorin für Globale Produktionssysteme managt: „Meine Teams sitzen in Karlsruhe am KIT und in einem Ableger in China. Daneben arbeite ich phasenweise als interne Mitarbeiterin bei Daimler in Sindelfingen und Untertürkheim.“

Beide Nachwuchswissenschaftler sind sich einig: „Ein Traum, so arbeiten zu können!“, sagen sie. Während ihnen beide Wege offenstehen, müssen sich andere junge Forscher spätestens nach der Promotion zwischen Wissenschaft oder Industrie entscheiden. Wer in die Industrie geht, kann selten Grundlagen erforschen und darf seine Forschungsergebnisse in der Regel nicht veröffentlichen. Wer zu lange im universitären Elfenbeinturm bleibt, ist irgendwann uninteressant für die Unternehmen.

Allerdings hat der Traumjob auch seine Tücken. „Beides zu verbinden ist ein schwieriger Spagat“, erzählt Lanza. „Meist wird den Wissenschaftlern der Industrie nicht zugetraut, dass sie noch neutrale Forschung machen können. Wir zeigen, dass das geht!“ Als Beweis demonstriert sie eine sehr begehrte Urkunde. Vor zwei Jahren bekam die 38-Jährige den renommierten Heinz-Maier-Leibnitz-Preis verliehen.

Eines ihrer Steckenpferde ist eine Produktionslinie von Robotern, die in der Lage sind, in unterschiedlicher Stückzahl verschiedene Aluminiumstränge für Autos zu bearbeiten. Eine komplexe Technologie, die wandlungsfähig sein muss, weil sich auch die Produkte immer schneller ändern. Jetzt plant die Professorin zudem Fabrik-Netzwerke, die sich über den Globus verteilen.

Dass Wilhelm Schabel und Gisela Lanza die doppelte Herausforderung annehmen, kommt nicht von ungefähr. Beide haben ursprünglich keine akademische Laufbahn angestrebt. „Als Student kamen mir immer Fragen unter, die niemand beantworten konnte. Am wenigsten dachte ich, dass ich sie einmal selbst beantworten werde. Aber jetzt ist es so. Und es ist schon faszinierend, zu denjenigen zu gehören, die sich diesen ewig offenen Fragen widmen können“, sagt Schabel. Und Lanza wollte eigentlich Maurerin werden. „Doch glücklicherweise hat mir der Maurer bei mir zu Hause erklärt, dass er gar keine Mädchen ausbilden darf.“