So wehrt man sich gegen Sexismus am Arbeitsplatz
Bielefeld (dpa/tmn) - Sexismus am Arbeitsplatz zeigt sich vielleicht nicht mehr so plump wie früher, aber es gibt ihn. Frauen trauen sich oft nicht, sich zu wehren. Wie gut das möglich ist, hängt auch von den Vorgesetzten ab.
Wenn Vorgesetzte sich sexistisch verhalten, kann das besonders unangenehm sein. Auch bei Kollegen wissen Frauen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen. Charlotte Diehl ist Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bielefeld. Sie hat dort unter anderem das Forschungsprojekt „Sexuelle Belästigung und Soziosexualität“ geleitet und beschäftigt sich regelmäßig mit dem Thema.
Kommt Sexismus am Arbeitsplatz besonders oft vor?
Charlotte Diehl: Die Wahrnehmung konzentriert sich oft auf Sexismus am Arbeitsplatz. Das liegt unter anderem daran, dass es relativ gute gesetzliche Regelungen für diesen Bereich gibt und die Aufmerksamkeit deshalb größer ist. Sexismus gibt es aber in vielen Situationen im Alltag, Frauen sind nirgendwo davor sicher. Das Besondere am Arbeitsplatz ist aber, dass ich Sexismus dort nicht einfach entkommen kann, indem ich weggehe, wie im Café zum Beispiel.
Wie zeigt sich Sexismus im Arbeitsalltag?
Diehl: Nachpfeifen, anstarren, sexuelle Anspielungen machen, Fragen nach einem Treffen, obwohl es dazu schon eine klare Absage gab. Es gibt repräsentative Umfragen, bei denen 30 Prozent der Frauen angegeben haben, auch schon betatscht worden zu sein. Die Opfer wehren sich oft nicht, weil sie die sozialen Kosten dafür als hoch einschätzen. Sie fürchten, Sympathien zu verlieren, wenn sie gegen sexistisches Verhalten protestieren.
Hat sich der Sexismus verändert?
Diehl: Es ist schon so, dass vieles nicht mehr geht, aber dafür ist der Sexismus subtiler geworden, nicht mehr so offensichtlich. Zum Beispiel, wenn in Diskussionen am Arbeitsplatz betont wird, dass Geschlechter nun mal unterschiedlich seien oder Männer Frauen anbieten „Ach komm, das kann ich gerne übernehmen, solche Aufgaben können Männer einfach besser“. Das führt dann dazu, dass die Frau als wenig kompetent dasteht.
Hängt von den Vorgesetzten ab, ob Sexismus am Arbeitsplatz toleriert wird?
Diehl: Es gibt Studien, die zeigen, dass die Vorgesetzten eine wichtige Rolle dabei spielen, welches Klima am Arbeitsplatz herrscht. Normen und Regeln spielen eine wichtige Rolle, und Vorgesetzte repräsentieren diese Regeln. Wenn ein Vorgesetzter zeigt, dass er sexistisches Verhalten nicht toleriert, hilft das stark. Nicht nur, weil es die Täter abschreckt, sondern auch, weil es die Opfer ermutigt.
Sind Vorgesetzte vielleicht sogar noch sexistischer als andere?
Diehl: Es ist das klassische Klischee, dass der Chef ausnutzt, in der stärkeren Position zu sein, dass er sich das leisten kann. Aber die Statistiken zeigen, dass Sexismus auf der gleichen hierarchischen Ebene häufiger vorkommt. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass es dort mehr Konkurrenz um Aufstiegschancen gibt. Aber wenn es vom Chef kommt, ist es umso dramatischer, weil man sich dann schlechter wehren kann.
Gehen weibliche Vorgesetzte mit dem Thema anders um?
Diehl: Es kann eine Rolle spielen, ob der Chef männlich oder weiblich ist, weil viele Frauen selbst schon von Sexismus betroffen waren und die Situation kennen. Das kann zur Folge haben, dass sie sensibler reagieren und sich besser in die Betreffenden hineinversetzen können. Und selbst wenn das nur die Erwartung der Betroffenen ist, hilft das schon, weil es die Bereitschaft erhöht, das Thema anzusprechen.
Ist die Teamzusammensetzung für die Wahrscheinlichkeit von Sexismus wichtig?
Diehl: Ja, das lässt sich beobachten. Am häufigsten sind sexistische Handlungen, wenn Frauen in einer Gruppe in einer deutlichen Minderheit sind. Vielleicht, weil sie dann kaum Chancen haben, sich zur Wehr zu setzen. Wenn Männer in so einem Fall sexistische Witze machen, trauen sich Frauen nicht, etwas dagegen zu sagen. Teams sind also besser so zusammengesetzt, dass das nicht passiert.
Gibt es auch männliche Opfer von Sexismus?
Diehl: Typischerweise ist Sexismus ein Männerphänomen. Aber einerseits haben auch Frauen sexistische Einstellungen und zeigen sexistisches Verhalten. Und dann geben bei Umfragen auch 10 Prozent der berufstätigen Männer an, schon von Sexismus betroffen gewesen zu sein. Aber das ist erstens gegenüber 30 bis 50 Prozent betroffenen Frauen ein viel geringerer Anteil und zweitens sind in diesen Fällen die Belästiger meistens andere Männer.
Was können Sexismusopfer tun?
Diehl: Ein erster Schritt ist, mit dem zu sprechen, der sich sexistisch verhält. Wenn das nichts bringt, muss man sich Verbündete suchen, zum Beispiel unter Kolleginnen und Kollegen. Vielleicht ist jemand dabei, der in der gleichen Situation ist oder jemand, dem das Verhalten auch schon aufgefallen ist und einen unterstützen kann, so dass man nicht alleine dasteht. Und dann muss man sich an die nächsthöhere Ebene wenden. Dabei ist es gut, wenn man den direkten Vorgesetzten darauf ansprechen kann.