Studie: Arme Schüler bekommen schlechtere Noten
Berlin (dpa) - Bildungserfolg in Deutschland ist wie in kaum einem anderen Staat vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Soziologen sprechen inzwischen von einem „Matthäus-Effekt“: Wer da hat, dem wird gegeben.
Schüler aus armen Familien bekommen häufig schlechtere Noten - auch wenn sie die gleiche Leistung wie Kinder aus wohlhabenderen Elternhäusern erbringen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Vodafone-Stiftung. Besonders gravierend wirkten sich diese sozialen Nachteile in der Schullaufbahnempfehlung beim Übergang von der Grundschule zum Gymnasium aus, heißt es in der am Mittwoch (14. Dezember) veröffentlichten Untersuchung.
Die Bildungsforscher Kai Maaz (Potsdam), Ulrich Trautwein (Tübingen) und Franz Baeriswyl (Freiburg/Schweiz) werteten für die Stiftung deutsche und schweizerische Ergebnisse mehrerer jüngster Schulleistungsuntersuchungen aus. Dabei verglichen sie unter anderem die Schulnoten mit den Ergebnissen eines standardisierten schriftlichen Leistungstests mit mathematisch-naturwissenschaftlichen und sprachlichen Aufgaben.
Etwa nur zur Hälfte lasse sich die konkrete Empfehlung des Grundschullehrers zum Besuch eines Gymnasiums mit der tatsächlichen Schülerleistung erklären, stellten die Forscher fest. Ein Viertel der Empfehlung werde dagegen durch die Schichtzugehörigkeit beeinflusst, weil Lehrer bei gleicher Leistung Kindern aus Akademiker-Elternhäusern eher eine Gymnasiallaufbahn zutrauen als Arbeiter- und Migrantenkindern. Ein weiteres Viertel dieser „sozialen Verzerrung“ entstehe bei der Empfehlung „durch ungleiche Notenvergabe bei gleicher Leistung“ schon während der Grundschulzeit.
Das Fazit der Wissenschaftler: „Herkunft wird mit zensiert.“ Der Anteil der Arbeiterkinder am Gymnasium ließe sich deutlich steigern, „wenn sie bei gleicher Leistung nicht mehr ungleich benotet würden“.
Mit ihrer Untersuchung „Leistungsdiagnostik und soziale Ungleichheit in der Schule“ bestätigen die Forscher zugleich Befunde der jüngsten internationalen IGLU-Grundschulstudie, die ebenfalls Hinweise auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen Schulnoten, Schullaufbahnempfehlung und sozialem Status der Schüler enthält.
Vodafone-Geschäftsführer Mark Speich warnte allerdings: „Die Konsequenz darf nicht Lehrerschelte sein.“ Vielmehr sollten die üblichen Formen der Leistungsdiagnostik und der Übertrittsregelungen überdacht werden.
Die Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft(GEW), Marianne Demmer, sagte: „Die Grundschullehrer müssen bei der Schullaufbahnempfehlung jedes Mal einen Spagat bewältigen, der ihnen von einem selektiven Schulsystem aufgezwungen wird.“ Bei Kindern aus begüterten Familien würden die Lehrer trotz Zweifel eher zur Gymnasialempfehlung neigen - in der Gewissheit, dass die Eltern notfalls mit Nachhilfe ihr Kind schon zum Abitur bringen werden.