Vertrauensarbeitszeit: Ohne Stechuhr geht's auch
Berlin (dpa) - Kommen und gehen, wann man will: Welcher Arbeitnehmer träumt nicht von solchen Bedingungen. In vielen Unternehmen wird die Präsenz der Angestellten nicht mehr penibel kontrolliert. Wichtig ist das Ergebnis ihrer Arbeit.
Doch das Konzept hat auch Tücken.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: In zahlreichen Betrieben gilt diese Devise längst nicht mehr. Mitarbeiter können frei über ihre Arbeitszeit verfügen - entscheidend ist, was am Ende dabei herauskommt. Denn für das Mehr an Eigenverantwortung müssen diese Beschäftigten im Gegenzug ihre Ziele in einer festgelegten Zeitspanne erreichen. Was nach innovativem Konzept klingt, stößt aber nicht bei allen Beteiligten auf Gegenliebe. Gewerkschaften warnen vor versteckter Mehrarbeit und drohender Überlastung.
Worum geht es: Die Arbeitskultur ist im Wandel. Firmen flexibilisieren ihre Arbeitszeitmodelle - nicht zuletzt um Geld zu sparen. Da erscheint das Konzept der Vertrauensarbeitszeit nur konsequent zu sein. Die Unternehmen bezahlen ihre Mitarbeiter nicht mehr nach der Dauer ihrer Anwesenheit, sondern nach den Ergebnissen ihrer Arbeit. Der Vorteil für die Betriebe: Überstunden fallen weg, häufig auch kostspielige Zeiterfassungssysteme.
Das lässt das Gewerkschaftslager natürlich nicht kalt: „Die Gefahr einer Überlastung der Beschäftigten ist groß. Zu einer Ausbeutung darf es aber nicht kommen“, fordert Sylvia Skrabs von der Gewerkschaft Verdi. „Die Praxis zeigt, dass unter Vertrauensarbeitszeit viele unterschiedliche Modelle verstanden werden.“ Die Erwartungen der Beschäftigten würden dabei meist aber nicht erfüllt. „So steht das unternehmerische Interesse immer im Vordergrund.“
Die Arbeitnehmervertreterin will die Idee nicht verdammen. Ihrer Ansicht nach muss es aber über ein starres Arbeitszeitkonzept hinausgehen: Skrabs spricht sich für eine Arbeitszeitkultur aus, „die den Mitarbeitern Zeitsouveränität und mehr Selbstständigkeit gibt und eben auch gesundheitsverträglich ist“.
In eine ähnliche Kerbe wie die Gewerkschafterin schlägt Frank Brenscheidt von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: „Das Modell eignet sich nur dann, wenn das Unternehmen selbst über eine Vertrauenskultur verfügt.“ Als Mitarbeiter müsse man sicher sein können, „dass sich die Arbeitszeit nicht extrem ausweitet und keine utopischen Ziele vereinbart werden. Das kann zu einer Überlastung und im Extremfall auch zu gesundheitlichen Schäden führen“. Auf der anderen Seite müsse sich die Unternehmensführung auch auf den Beschäftigten verlassen können. „Bei der Vertrauensarbeitszeit müssen die Rahmenbedingungen passen.“
Dabei kommt der Chefetage nach Einschätzung von Personalmanagern eine besondere Verantwortung zu. So müsse im Gespräch zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem „klar umrissen sein, welche Ziele zu erfüllen sind, damit es nicht zu einer Selbstausbeutung der Mitarbeiter kommt“, findet der Präsident des Bundesverbands der Personalmanager, Joachim Sauer. Hier habe das Management eine Fürsorgepflicht. „Das Konzept funktioniert nur dann, wenn Führungskräfte entsprechend gut qualifiziert sind.“
Eine Rolle bei der Umsetzung des Konzepts spielt nach früheren Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auch die Betriebsgröße: Je mehr Mitarbeiter eine Firma hat, desto eher kommt das Konzept zum Einsatz. „Flächendeckend macht Vertrauensarbeitszeit sicherlich keinen Sinn. So ein Modell muss auch mit der Arbeit zusammenpassen“, erläutert Frank Brenscheidt und meint damit vor allem Branchen, die vor allem in Teams und projektbezogen arbeiten.
Wichtig zu wissen ist, dass auch die auf äußerte Flexibilität ausgerichtete Vertrauensarbeitszeit die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes nicht außer Kraft setzt. So hat der Arbeitgeber die Pflicht, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Zeit zu erfassen.