Wieder länger im Büro: Wissenswertes über Überstunden
Brühl (dpa/tmn) - An vielen Arbeitsplätzen gehören regelmäßige Überstunden zur Tagesordnung. Doch das dürfen sie nicht. Kein Mitarbeiter ist verpflichtet, andauernd mehr zu arbeiten, als in seinem Vertrag vereinbart ist.
„Wenn im Arbeitsvertrag eine 40-Stunden-Woche steht, bedeutet das nicht Mindestarbeitszeit, sondern Regelarbeitszeit“, sagt Michael Felser. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Brühl bei Köln. Weiter müssen sich die Überstunden im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes halten. Mehr als zehn Stunden am Stück sind auf keinen Fall erlaubt. „Außerdem müssen zwischen zwei Schichten mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen“, erläutert Felser.
Was viele außerdem nicht wissen: Der Arbeitgeber darf Mehrarbeit nur für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit verlangen, sagt Helga Nielebock. Sie ist Rechtsexpertin beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. Das Ausmaß der Überstunden bestimmt der Arbeitsvertrag. „Legen Regelungen wie Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge engere Grenzen fest, gelten die.“
Wenn sich Mehrarbeit über Monate einschleicht, sollte man das Gespräch mit dem Chef suchen, rät Felser. Oft sei es sinnvoll, ein solches Gespräch im Beisein eines Kollegen oder eines Betriebsrates zu führen. Dabei sollte man nicht drohen, sondern sachlich eine Lösung aufzeigen.
Auch wenn es sich für viele Angestellte so anfühlt: Es werden nicht mehr Überstunden abgeleistet als in früheren Jahren, erklärt Prof. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Allerdings verschiebt sich etwas zwischen den Typen: Es gibt deutlich weniger bezahlte Überstunden.“
Oft wird die Mehrarbeit auf einem Arbeitszeitkonto gesammelt. Mehr als die Hälfte aller abhängig Beschäftigten habe mittlerweile ein solches Konto, erzählt Prof. Weber. Die Ausgleichszeiträume, um angesammelte Stunden zu nehmen, liegt bei den meisten Unternehmen bei einem halben bis einem Jahr. Bei den Verfallsklauseln im Arbeits- oder Tarifvertrag sollten Mitarbeiter genau hinsehen.
Im Rahmen eines Jahres-Arbeitszeitkontos kann ein Vorgesetzter außerdem in Spitzenzeiten Überstunden anordnen. Aber auch sie müssen ausgeglichen werden - und mit dem Arbeitszeitgesetz übereinstimmen.
Ein Arbeitnehmer kann auch „Nein“ sagen zu Überstunden. Der Chef muss auf seine Interessen Rücksicht nehmen und prüfen, ob sie nicht wann anders oder von jemand anders erledigt werden können. „Wenn der Angestellte zu einer bestimmten Zeit sein Kind aus der Krippe holen muss oder andere private Verpflichtungen hat, muss die Firma das akzeptieren.“ Grundsätzlich könne man Überstunden verweigern, wenn keine Pflicht dazu besteht - und die gibt es nur bei echten Notfällen, sagt Felser.
Auch der Ausgleich der Überstunden muss vertraglich vereinbart werden, sagt DGB-Expertin Nielebock. „Schreibt eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag den Ausgleich zwingend vor, ist die Regelung maßgeblich.“ In der Regel schreiben Tarifverträge auch Zuschläge vor. Die Unternehmen werden heute in erster Linie versuchen, die Mehrarbeit durch Freizeit auszugleichen, denn die Extra-Stunden kosten viel Geld. Darum gibt es bezahlte Überstunden in vielen Fällen nur noch ausnahmsweise.
Nielebock rät, die Überstunden aufzuzeichnen und möglichst vom Vorgesetzten oder einem Arbeitskollegen abzeichnen zu lassen. „Dann hat man einen Beweis für die Leistung.“ Auf der Basis ließe sich dann besprechen, wie man mit den Überstunden umgeht. Am sichersten allerdings ist es, wenn der Arbeitgeber die Stunden aufzeichnet - etwa durch eine Stechuhr. Dann gibt es keine Diskussion über die Zeit, die man an seinem Arbeitsplatz verbracht hat.
Häufig gibt es bei Mitarbeitern im Management Verträge mit einer sogenannten „All-inclusive-Klausel“. Damit sollen alle Überstunden pauschal abgegolten sein. Allerdings: „Nach der Rechtsprechung ist diese Klausel unwirksam, weil sie zu unbestimmt und zu untransparent ist“, sagt Felser.
Nach den Erhebungen des IAB macht ein Vollzeitbeschäftigter im Durchschnitt 5,5 Überstunden im Monat, ein Arbeitnehmer in Teilzeit zwei Überstunden. Bei Teilzeit gilt dabei dasselbe wie bei Vollzeit, sagt Nielebock: „Überstunden muss ein Betriebsrat bewilligen, ansonsten müssen sie nicht geleistet werden.“