Zu krank zum Arbeiten - Versicherung zahlt nicht sofort
Hamburg (dpa/tmn) - Viele Experten sind sich einig: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist sinnvoll. Im Ernstfall kann es finanziell trotzdem knapp werden, denn die Versicherung zahlt nicht sofort. Daher sollte man immer ein wenig Geld auf der hohen Kante haben.
Die Situation ist eine der schlimmsten, die sich Erwachsene vorstellen können: eine langwierige Krankheit, ein schwerer Unfall - und keine Möglichkeit, weiter im bisherigen Beruf zu arbeiten. Um in solchen Fällen nicht von staatlicher Hilfe abhängig zu werden, schließen viele Menschen eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Doch die Versicherer benötigen Zeit, um im Ernstfall die Situation zu prüfen. Streit gibt es häufig um den Gesundheitscheck.
Im Krankheitsfall sollte der Kunde seine Versicherung so früh wie möglich über die wahrscheinliche Berufsunfähigkeit informieren. „Wenn absehbar ist, dass ich meine berufliche Tätigkeit auf Dauer nicht mehr ausüben kann“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. Was auf Dauer bedeute, stehe im Vertrag.
Die meisten Versicherer zahlen, wenn „die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung und Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht“, zitiert Una Großmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin eine gängige Definition.
Ein Angestellter muss sich zumeist über die ersten anderthalb Jahre seiner Krankheit keine Gedanken machen. Sechs Wochen lang ist sein Arbeitgeber verpflichtet, den Lohn fortzuzahlen, erklärt Ann Marini vom GKV Spitzenverband in Berlin. Danach werde ihm, sofern er bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, Krankengeld gezahlt. Das seien mindestens 70 Prozent des regelmäßigen erzielten Arbeitseinkommens. Maximal werden 90 Prozent des täglichen Nettoeinkommens gezahlt.
In der Regel melde sich die Krankenkasse kurz vor Ablauf der sechs Wochen beim Versicherten und schicke ihm die notwendigen Formulare. Selbstständige müssten sich für diesen Fall dagegen mit einer privaten Krankentagegeldpolice absichern, sagt Großmann. Für den Fall, dass sie in einer gesetzlichen Krankenkasse sind, müssten sie einen Aufschlag zahlen.
Krankengeld wird laut Gesetz für dieselbe Krankheit maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gezahlt. Wie lange es dagegen dauert, bis ein Versicherter Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch nehmen kann, sei nicht pauschal zu beantworten, sagt Großmann. „Die meisten Gesellschaften beginnen mit der Rentenzahlung, wenn der Versicherungsnehmer sechs Monate ununterbrochen nicht arbeiten konnte und dieser Zustand fortdauert.“ Häufig werde rückwirkend für die vergangenen sechs Monate gezahlt.
„Bis das durch ist, kann das schon einige Monate dauern“, sagt auch Boss. Gerade Selbstständige müssten sich im Klaren sein, dass sie sich für diese Zeit entweder nur über Erspartes oder eine private Krankentagegeldpolice absichern könnten.
Probleme gebe es vor allem, wenn Versicherte beim Abschluss des Vertrages nicht alle Fragen des Gesundheitschecks wahrheitsgemäß beantwortet haben, sagen sowohl Boss als auch Großmann. Der Check, die sogenannte Risikoüberprüfung, diene dazu, die „Wahrscheinlichkeit eines Schadensfalls“ einzuschätzen, sagt Großmann. Schon vorhandene Krankheiten wie Rückenleiden, die zu einer Berufsunfähigkeit führen könnten, lassen die Prämie steigen oder führten sogar dazu, dass das Unternehmen einen Kunden ablehne oder ihn nur teilweise versichern wolle, sagt Boss. „Da sind die Versicherer sehr pingelig.“
Trotzdem: „So verlockend es auch sein mag, die eigene Verfassung beim Gesundheitscheck ein bisschen besser darzustellen, als sie tatsächlich ist - man tut sich damit keinen Gefallen“, meint Großmann. Boss rät dazu, sich für die Risikoprüfung, die etwa Fragen zu Unfällen oder Arztbehandlungen in den vergangenen Jahren enthält, ausreichend Zeit zu nehmen. „Vielleicht sollte ich mit meinem Hausarzt durchgehen, welche Termine ich in den letzten Jahren hatte.“ Gut sei, wenn der Versicherer nur Krankheiten der vergangenen fünf Jahre abfrage, manche wollten aber auch Auskunft über die zurückliegenden zehn Jahre haben.
Boss rät dazu, den Vertrag möglichst in einem Alter zu unterzeichnen, wo noch keine Krankheiten aufgetreten sind. „Eigentlich kann ich das schon als Schüler, ab 15 Jahren.“ Hier könne eine pauschale Auszahlungssumme von 1000 Euro vereinbart werden. Die Summe, die der Versicherer im Ernstfall zahle, solle möglichst nahe am Einkommen liegen. Generell gelte: „Weniger auf den Beitrag achten als auf die Bedingungen.“ Schließlich handele es sich um eine existenzielle Absicherung.