Zwischen Genie und Wahnsinn - Mit schwierigen Vorgesetzten leben
Berlin (dpa/tmn) - Sie gelten als charismatisch und wortgewandt, impulsiv und unberechenbar: Menschen mit psychopathischen Zügen. Jede zehnte Führungskraft zählt zu ihnen, sagen Experten. Für Mitarbeiter ist die Zusammenarbeit schwierig.
Wie kommt man mit ihnen zurecht?
Gewissenlos und wortgewandt jubelt er ahnungsloslosen Käufern Schrottpapiere unter: Leonardo DiCaprio begeistert im Kino als Jordan Belfort die Zuschauer. Die Hauptfigur in Martin Scorseses Film „The Wolf of Wall Street“ ist vor allem an Macht und Geld interessiert. Auf den ersten Blick mag es nur ein Film sein. Viele Eigenarten der Filmfigur decken sich mit den Charakterzügen von psychopathischen Menschen: impulsiv, skrupellos, aber auch charmant und eloquent. Eigenschaften, auf die man auch im realen Leben treffen kann. Häufig in der Chefetage, sagen Experten.
Im Schnitt habe jede zehnte Führungskraft psychopathische Eigenschaften, schätzt Prof. Gerhard Roth von der Universität Bremen. Die meisten seien Männer. Ihre Skrupellosigkeit und fehlende Empathie helfe dabei, sich im Unternehmen durchzusetzen. Wer als Mitarbeiter auf sie trifft, hat darunter zu leiden. Mit ihrer cholerischen und disziplinlosen Art schikanieren Menschen mit psychopathischen Eigenschaften ihr Team. Insgesamt ist es für andere schwer, sie einzuschätzen. Echte Irre sitzen allerdings kaum in Führungsetagen. Psychopathie gilt als eine schwere Form der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Betroffenen fehlt jegliche Empathie für andere. In der Regel ist die Krankheit genetisch bedingt.
Chefs mit psychopathischen Eigenschaften können mit ihrer Art ein Team ruinieren. Die Zusammenarbeit ist für Mitarbeiter schwierig, in der Folge sind sie oft verunsichert oder melden sich sogar krank. „Um den Druck auszuhalten, verbünden sich einige Mitarbeiter mit dem Chef. So wird das Opfer zum Mittäter“, erklärt Oliver Groß, Trainer für Mitarbeiterführung.
Doch was kann der Einzelne tun? Eines sollten sich Mitarbeiter abschminken: Einen Chef mit psychopathischen Eigenschaften zu ändern, ist kaum möglich. Kritik ertragen diese Vorgesetzten nicht. „Leiden mehrere Personen, können sich Mitarbeiter zusammentun“, empfiehlt Groß. Sie bitten dann um ein Konfliktgespräch. Darin rücken sie dann besser nicht das eigene Leiden in den Vordergrund, sondern betonen lieber die Konsequenzen für das Unternehmen.
Persönliche Vorwürfe haben in einem Konfliktgespräch nichts zu suchen. Besser ist es, den Chef mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen ins Boot zu holen. Neue Ideen sollten kurz und knackig formuliert werden. Mit plötzlichen Wutanfällen rechnen Mitarbeiter am besten. Hier gilt: Ruhe bewahren!
Hilft das alles nichts, wenden sich Mitarbeiter am besten an den Betriebsrat, sagt Christoph Schmitz von der Gewerkschaft Verdi. „Unter Umständen kann auch der zuständige Gewerkschaftssekretär das Problem mit der Geschäftsführung ansprechen.“
Leitet ein Mensch mit psychopathischen Eigenschaften die Firma, gebe es am Ende nur Verlierer, warnt Personaltrainer Groß. Ein schlechtes Betriebsklima hemmt die Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter. Negative Auswirkungen für das Unternehmen wie sinkende Umsätze können die Folgen sein. Für die Filmfigur Jordan Belfort endet der Egotrip zunächst im beruflichen Ruin. Soweit muss es in der Realität nicht kommen.
Literatur:
Martin Wehrle: „Bin ich hier der Depp? — Wie Sie dem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung stehen“, Mosaik Verlag, 14,99 Euro, ISBN-13: 978-3442392513.