Blutegel lindern chronische Schmerzen
Die Tiere übertragen entzündungshemmende Stoffe.
Berlin. Es ist nur ein zartes Zwicken an der Haut - mehr spürt der Patient vom Biss eines Blutegels nicht. Nach einer guten halben Stunde hat sich der Egel so mit Blut vollgesogen, dass er abfällt. Über seinen Speichel hat er in dieser Zeit im Gegenzug etliche schmerzstillende und entzündungshemmende Stoffe abgegeben. Einige lokale Schmerzen lassen sich auf diese Weise schonend und ohne große Nebenwirkungen behandeln.
Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn gelten die Tierchen offiziell als Arzneimittel nach dem deutschen Arzneimittelgesetz. Vor allem bei Arthrosen am Knie, dem Daumen oder der Schulter können sie helfen. Auch lokale Schmerzen am Rücken oder ein Tennisellenbogen lassen sich mit den kleinen Blutsaugern lindern. "Überall dort, wo Schmerzen chronifizieren, sind Blutegel immer ein guter Versuch", sagt Prof. Andreas Michalsen von der Charité Universitätsmedizin in Berlin. Der Effekt halte zwischen mehreren Monaten und einem Jahr an.
"Bei Arthrose ist die Wirkung wissenschaftlich am besten belegt", erläutert Michalsen. Im Jahr 2002 hat er an der Uni Duisburg-Essen erstmals in einer Studie die Wirkung von Blutegeln nachgewiesen, weitere Untersuchungen folgten. Pharmakologen haben zwischen 30 und 100 arzneilich aktive Substanzen im Blutegel-Speichel ermitteln. "Die Stoffe können relativ tief ins Gewebe eintreten." Das sei anders als bei einem Mückenstich, der oberflächlich wirkt.
Neben den Speichelsubstanzen gebe es weitere Ansätze, die als "Gesamtpaket" die Wirkung erklärten: Da sei zum einen die traditionelle naturheilkundliche Begründung der Blutentleerung - Lymphe tritt aus, Gewebe wird entstaut, Entzündungen und Schwellungen gehen zurück. "Auch der Placebo-Effekt ist nicht zu unterschätzen." Und außerdem sei denkbar, dass "der Egelbiss an sich" einen Gegenschmerzreiz auslöst und den vorhandenen Schmerz überdeckt.
Bevor die Egel zum Patienten kommen, dürfen sie 32 Wochen lang nicht gefüttert worden sein. Denn das zum Füttern verwendete Blut könnte Krankheitserreger enthalten. Aus ähnlichem Grund sollte man die Egel auch nicht gewaltsam abnehmen, erklärt Roth. "Wenn sie gequetscht werden, können sie ihren Mageninhalt in die Wunde erbrechen - das kann zu einer kleinen, lokalen Infektion führen."