Bewerbungen um Adoptivkinder auf Rekordtief

Wiesbaden (dpa) - Oscar-Preisträgerin Charlize Theron hat einen kleinen Jungen adoptiert, Hollywood-Schauspielerin Katherine Heigl ein zweites Mädchen. Trotz solch prominenter Vorbilder bewerben sich in Deutschland immer weniger Paare darum, ein fremdes Kind anzunehmen.

Karrierechancen oder Unentschlossenheit, Alter oder alternative Lebensentwürfe und die Hoffnung auf die Möglichkeiten der Medizin? Die Zahl der Bewerber um ein fremdes Adoptivkind in Deutschland ist Ende 2011 auf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken, wenn auch die Zahl der tatsächlichen Adoptionen nahezu stabil war. „Über die Gründe gibt es keinerlei Untersuchungen“, sagt die stellvertretende Leiterin der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle (GZA) in Hamburg, Brigitte Siebert. Aber Erfahrungen aus der Praxis.

Viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch glauben, sie hätten wegen des hohen Interesses an Adoptionen keine Chance, wie Siebert berichtet. Dabei kommen nur noch knapp sieben Bewerber auf ein Adoptivkind, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. „Viel weniger sollten es auch nicht mehr werden“, sagt die Vorsitzende des Bundesverbands der Pflege- und Adoptivfamilien (PFAD), Dagmar Trautner. Um die richtigen Eltern für ein Kind finden zu können, sei ein Pool unbedingt notwendig. Dies könnten aber auch mal ältere oder gleichgeschlechtliche Paare sein. „Die Frauen kriegen ihre Kinder heute später, und die Menschen sind länger jugendlich.“

Gerade ältere Paare glaubten, es sei einfacher, sich den Kinderwunsch mit einer Adoption im Ausland zu erfüllen, berichtet Siebert. „Die Vermittlungszahlen von Adoptionskindern gehen aber weltweit zurück.“ Eindeutige Zahlen für Deutschland gibt es nicht. Von den 4060 Kindern, die 2011 in der Bundesrepublik adoptiert wurden, waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 934 Ausländer - auch das der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung. Das Bundesamt erfasst aber nur die Auslandsadoptionen, von denen deutsche Behörden informiert waren.

Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen in Bonn nennt jedoch eine ähnliche Größenordnung: „Die Zahl der Auslandsadoptionen ist in den letzten Jahren leicht abnehmend.“ Schätzungen zufolge kommen jährlich rund 1000 Kinder aus dem Ausland nach Deutschland, um adoptiert zu werden. Die meisten stammten aus Russland, gefolgt von Äthiopien, Südafrika, Thailand und Kolumbien.

Statt auf Adoption setzten viele Paare auf die Fortschritte der Reproduktionsmedizin - manche auch auf die in Deutschland verbotene Leihmutterschaft, berichten Siebert und Trautner. Viele Kinderlose scheuten die großen Hürden und den langen, unsicheren Weg zur Adoption, sagt Trautner. Bei ihrem Verband gingen immer wieder Klagen über das Verfahren ein, etwa über zu persönliche Fragen nach Einzelheiten des Ehelebens oder der finanziellen Situation - auch wenn beides natürlich grundsätzlich gecheckt werden müsse.

Mit der Erkenntnis, kinderlos zu bleiben, könne eine Reihe von Paaren auch gut leben, weiß Trautner. „Heute tun sich viele leichter zu sagen: 'Bei uns hat es nicht geklappt'.“

„Wozu dient eine Adoption?“, fragt Siebert. Das Thema werde zu sehr aus der Sicht Erwachsener diskutiert. Eine Adoption sei nicht in erster Linie ein Mittel zur Familienbildung, sondern diene den Kindern. So könne es durchaus ein positives Zeichen sein, wenn die Zahl derer, die zur Adoption vorgemerkt sind, wie 2011 zurückgehe (um neun Prozent auf 859 gegenüber dem Vorjahr).

Viele Kinder bräuchten aber dringend eine Pflegefamilie, mahnt Siebert. Kinderlose Paare wollten meist jedoch lieber ein eigenes gesundes Baby, als sich auf die Situation dieser Kinder und die Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie einzulassen. „Das gehört allerdings auch bei Adoptivkindern dazu.“ Und Trautner ergänzt: „Noch immer werden viele adoptierte Kinder und Jugendliche viel zu spät über ihre Herkunft aufgeklärt.“