Coaches entdecken Kinder als Kunden
Berlin/Düsseldorf (dpa) - Sich bei privaten und beruflichen Problemen beraten zu lassen, gehört heute beinahe zum guten Ton. Einige Coaches haben sich jetzt auf Probleme von Kindern spezialisiert. Das ruft auch Kritiker auf den Plan.
Coaching-Angebote richteten sich lange Zeit vor allem an Erwachsene. Jetzt haben die Berater auch Kinder als Zielgruppe entdeckt. Die vor allem in Großstädten aktiven Anbieter versprechen unter anderem, Ängste der Kinder ab- und Selbstbewusststein aufzubauen und so bessere Schulnoten zu erzielen. „Wir wollen Kinder nicht effizienter machen, aber ihnen beibringen, wie sie leichter mit den heutigen Gegebenheiten umgehen“, betont etwa Kinder- und Jugendcoach Daniel Paasch.
Der vierfache Vater und ehemalige Personalleiter aus dem nordrhein-westfälischen Ibbenbüren hat vor einigen Jahren das Institut für Potenzial-Entfaltung (IPE) gegründet. Er habe gemerkt, dass Coaching-Methoden für Führungskräfte auch bei Kindern wirken. Einen Psychotherapeuten oder Nachhilfelehrer könne er aber nicht ersetzen, betont Paasch. Sein Angebot richte sich nur an gesunde Schüler, die sich manchmal selbst im Weg stünden, unter Prüfungsangst oder Konzentrationsschwierigkeiten litten.
Paasch bildet auch Erwachsene zu Coaches aus. Bundesweit hat er eigenen Angaben zufolge schon etwa 220 Zertifikate verteilt. Vor einiger Zeit trainierte er eine Gruppe in Berlin. Paasch zeigte Methoden wie „Doppelter Future Back Check“ oder „Fantasiereise“. Die Teilnehmer, darunter Heilpädagogen, Sozialarbeiter, eine Hausfrau und ein Kinderdorf-Vater, lernten, Kindern beim Suchen eigener Ideen zu helfen oder sie auf eine fiktive Reise zu schicken, an deren Ende eine „Energiedusche“ neue Kraft verleihen soll.
Zu den Kindern, die die Dienste eines IPE-Coachs bereits genutzt haben, gehört etwa die 13-Jährige Paula aus Bonn. Aus ihrer Sicht haben sich die zwei Stunden á 80 Euro ausgezahlt. „Ich wollte gern mehr Selbstvertrauen haben“, berichtet die Schülerin. Sie habe vor allem Probleme gehabt, fremde Leute anzusprechen. Ihre Trainerin habe dann mit ihr eine Fantasiereise unternommen und einen Trick gezeigt, mit dem sich die Angst aushebeln lässt.
„Schon am nächsten Tag hat sich meine Tochter getraut, einen Kellner im Café anzusprechen“, erinnert sich Paulas Mutter Verena R. „So ein Coach kann in kurzer Zeit viel bewirken“, ist sie überzeugt. Ihre Tochter habe einen Kick von außen gebraucht. Ab einem gewissen Alter der Kinder könnten Eltern einfach nicht mehr so viel ausrichten, glaubt sie.
In Deutschland stehe das Kinder-Coaching noch am Anfang, sagt Christin Colli, Berliner Regionalsprecherin des Deutschen Coaching Verbandes (DCV). „Viele Eltern nutzen eher staatlich bezuschusste Angebote und sind noch nicht bereit, in ihr Kind zu investieren“, sagt Colli. Dabei lohne sich ein Coaching bereits bei jungen Leuten: Viele Erfahrungen müsse man nicht erst als Erwachsener machen.
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen fordert hingegen, die vorhandenen Beratungs- und Therapieangebote auszubauen, die Qualifikationen und Methoden von Coaches seien oft fragwürdig, sagt Stefan Drewes von der Sektion Schulpsychologie. Neben der Schulsozialarbeit, der -psychologie und Familienberatung sei auch eine Stärkung der Psychotherapie wichtig, fordert er.
„Kinder und Jugendliche brauchen eher diese etablierten Hilfen als solch ein Angebot mit unklaren Qualifikationen“, betont der Experte und fragt: „Folgen wir da einem Menschenbild, wo auch die Jugendlichen immer gut funktionieren müssen und schon ihren eigenen Trainer haben müssen, um ihre Probleme zu bewältigen?“
„Ich bin skeptisch, ob das Etikett Kinder-Coaching irgendetwas taugt“, meint auch Buchautor Erik Lindner („Coachingwahn. Wie wir uns hemmungslos optimieren lassen“, 2011). Aus seiner Sicht ist es problematisch, dass sich jeder Coach nennen darf - auch ohne Ausbildung. Es könne aber durchaus sein, dass ein Kinder-Coach das bringe, was er verspricht, räumt Lindner ein. „Es kann aber auch passieren, dass er nur heiße Luft fabriziert“, warnt er.