Diagnose Krebs - Wie sagt man es seinem Kind?
Magdeburg (dpa) - An Krebs erkrankte Eltern haben es doppelt schwer. Wie gehen sie selbst mit der Situation um, und wie erklären sie diese ihren Kindern. Experten in Magdeburg wollen dabei helfen.
Es ist eine der härtesten Diagnosen, die einen Menschen ereilen kann: Krebs. Gelten bösartige Tumore in Deutschland doch als zweithäufigste Todesursache nach den Herz-Kreislauferkrankungen. Neben der Angst um das eigene Leben macht Betroffenen auch immer wieder eine Frage zu schaffen: Wie sollte man im Alltag mit der Krankheit umgehen, wie davon etwa den Kindern erzählen?
„Bei fast allen betroffenen Familien besteht da eine ganz große Unsicherheit“, erzählt Hans-Henning Flechtner von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Magdeburg. Genau da setzt das dortige Projekt „Seelentröster“ an: Es richtet sich an betroffene Eltern und deren Kinder - zwei psychologische Mitarbeiter der Uniklinik setzen da an, wo Erwachsene nicht mehr weiter wissen.
Nach aktuellen Angaben des Statistischen Landesamtes wurden allein im Jahr 2010 mehr als 52 600 Sachsen-Anhalter aufgrund eines Krebsleidens in einem Krankenhaus behandelt, davon etwa 29 800 Männer und 22 800 Frauen. An bösartigen Neubildungen starben in dem Jahr demnach 7839 Einwohner Sachsen-Anhalts. Das entsprach 27 Prozent aller Todesfälle und 248 Krebssterbefälle mehr als 2009.
Wie nötig ein Betreuungsangebot ist, zeige ein einfaches Beispiel: „Wie reagiere ich, wenn mein dreijähriges Kind fragt, warum der Mama die Haare ausfallen“, macht der Psychiatrie-Professor die Problematik im alltäglichen Umgang mit der Krankheit deutlich. „Oder mein Kind im Jugendalter sich völlig verschließt und den Eindruck erweckt, ihm sei die Situation egal.“
Solche Reaktionen seien, genauso wie neu auftretende Probleme in der Schule, alles andere als ungewöhnlich, sagt Flechtner. Jugendliche wehrten das Thema häufig ab, weil es ihnen bedrohlich erscheine. Sie bevorzugten meist auch Einzelgespräche. Derweil versuchten Eltern oft, das schwierige Thema von ihren Kindern fernzuhalten. Doch um die Situation zu verarbeiten, muss darüber geredet werden.
„Der behandelnde Arzt kann diese Betreuung der Familien gar nicht leisten.“ Deshalb müsste es Angebote wie das Projekt „Seelentröster“ eigentlich an allen onkologischen Zentren geben, sagt Flechtner. Die Resonanz sei groß. Teilweise würden sich auch Betroffene aus anderen Bundesländern an die Magdeburger Klinik mit dem besonderen Projekt wenden.
In den Sprechstunden wird unter im Beisein der Experten immer wieder auch darüber gesprochen, was passiert, wenn Mamma oder Papa stirbt - oder der baldige Tod droht. Dann müsse man den Familien oft klar machen, dass sie Trauer zulassen dürfen - die sich bei den Kindern oft in Form von Schlafstörungen oder Leistungseinschränkungen zeige. „Sie brauchen eine beratende Begleitung, aber meist noch keine Therapie“, berichtet der Arzt.
Entstanden ist die Familiensprechstunde im Rahmen eines auf drei Jahre angelegten Forschungsprojektes zur Versorgung von Kindern krebskranker Eltern, an dem sich fünf deutsche Universitäten beteiligen. Ziel ist es, den Bedarf von Kindern krebskranker Eltern an Beratung und Betreuung zu ermitteln sowie Beratung und Therapie in ihrer Wirksamkeit zu überprüfen.
Familien, die dafür infrage kommen, werden den Psychologen über verschiedene Stellen vermittelt, mit der die Klinik kooperiert: onkologische Zentren, Reha-Kliniken, Selbsthilfegruppen oder die Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft. Zwar läuft das Verbundforschungsprojekt in diesem Sommer aus, doch: „Wir werden die Sprechstunde aber auf jeden Fall fortführen“, versichert Flechtner. Bisher wurden im Rahmen des Projekts etwa 50 Familien betreut.