Experte: Väter in der Krise
Berlin/Düsseldorf (dpa) - Der moderne Vater soll alles zugleich sein: Verlässlicher Versorger, verständiger Partner, heißer Liebhaber und ein echter Mann. Viele fühlen sich davon überfordert und verunsichert.
Der Männerforscher Matthias Franz sieht heutige Väter wegen enorm gestiegener Anforderungen in der Krise. „Väter sollen ihre Versorgerrolle mit den Karriereansprüchen ihrer Frauen vereinbaren, keine Angst vor dem weiblichen Kinderwunsch haben, liebevoller Vater und Partner sein und gleichzeitig ihre Männlichkeit nicht verlieren“, sagt der Professor von der Uniklinik Düsseldorf. Verunsicherung sei da vorprogrammiert. „Das Spiel mit unterschiedlichen, kontextabhängigen Rollen und Identitätsanteilen überfordert und verunsichert viele Männer derzeit.“
Das traditionelle Rollenbild sei überholt, ein neues aber noch nicht in Sicht. Abhilfe sieht Franz in einer überfälligen breiten gesellschaftlichen Wertschätzung für Jungen und Männer - besonders in der Vaterrolle. Zuletzt habe die Politik vor allem die Stellung der Frauen thematisiert und dabei den Blick für die Männer verloren.
Zugleich forderte Franz von Vätern, sich mehr an den Entwicklungs- und Bindungsbedürfnissen der Kinder zu orientieren. „Das kommt heute oft zu kurz. Vater-Sein heißt Kinder haben und entsprechende Verantwortung liebevoll wahrzunehmen.“ Aus Sicht der Kinder gebe es wichtige gesellschaftliche Entwicklungen: Kinder würden seltener geschlagen, Missbrauch öffentlich thematisiert und verurteilt.
Zudem betonten immer mehr Väter, sich mehr ihren Kindern widmen zu wollen. „Jedoch ist heute oftmals die Arbeitsumgebung noch nicht soweit, Chefs haben häufig noch nicht das nötige Verständnis dafür.“
Klassische Geschlechtergrenzen sieht Franz von solche Bedürfnissen nicht bedroht. „Unterschiede zwischen Mann und Frau bleiben natürlich bestehen.“ Jedoch befördere die wettbewerbsorientierte Leistungsgesellschaft die stete Neuausrichtung der Identitäten. „Das Spiel mit unterschiedlichen Rollenanteilen erfordert aber innere Sicherheit, und das fällt vielen Männern momentan etwas schwerer als Frauen.“
Frauen könnten sich stärker und im historischen Kontext gesehen „männlicher“ geben. Umgekehrt könnten Männer ruhig Schwächen nach außen kehren und Gefühle zeigen. Schnell stehe dann aber der „Weicheivorwurf“ im Raum. „Da sieht man, wie stabil das Männerbild des 19. Jahrhunderts noch immer ist. Dessen Überwindung ist ein gesellschaftliches Großprojekt.“