Ein Notanker für Opfer häuslicher Gewalt
Am neuen Sorgentelefon geben Expertinnen Frauen in Not rund um die Uhr Rat.
Berlin. Als sie beim Frühstück etwas Kaffee verschüttet, schlägt er ihr plötzlich die Tasse aus der Hand. Von Angst getrieben springt die Frau auf und flüchtet vor ihrem wütenden Ehemann ins Wohnzimmer, der sie einholt und an den Haaren zurückzieht. Dann drängt er sie in eine Ecke, hebt die Hand über ihr Gesicht — und schlägt zu.
Der Werbespot für ein am Mittwoch gestartetes Sorgentelefon zeigt, was für viele Frauen in Deutschland zum Alltag gehört: Drohungen, Übergriffe und rohe Gewalt.
40 Prozent aller Frauen in Deutschland erfahren mindestens einmal im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt. Und nur jede Fünfte, die bedrängt, belästigt, bedroht oder geschlagen wird, findet auch den Weg zu geeigneten Hilfestellen.
Ein bundesweites Sorgentelefon soll nun mehr Opfern helfen, nach solch schlimmen Erfahrungen den Neuanfang zu meistern. „Für viele Frauen kann ein solcher Anruf der erste Schritt zurück in ein selbstbestimmtes Leben sein“, sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU).
Gerade von dieser Lotsenfunktion erhoffen sich die Macher einen Erfolg, denn die Fülle an Beratungsangeboten in Deutschland ist kaum zu überblicken. Es gibt Angebote für Vergewaltigte, für russische und muslimische Frauen, für Pflegebedürftige oder Mütter mit Kindern. Deshalb gebe es „keine Patentlösungen, keine vorgefertigten Standardantworten und keine festgeschriebenen Wege“, sagt die Leiterin des Hilfetelefons, Petra Söchting.
Doch eine Hotline allein löst das Problem nicht, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Mona Küppers. „Allein in Deutschland suchen rund 40 000 Frauen jährlich mit ihren Kindern Zuflucht in Frauenhäusern.“
Diese müssten angemessen finanziert werden. In diesen Einrichtungen helfen meist ehrenamtliche Mitarbeiter den Betroffenen, Anzeige zu erstatten, eine neue Wohnung zu suchen oder bei familienrechtlichen Fragen.
Heike Ritterbusch vom Frauenhaus Cocon in Berlin pflichtet Küppers bei. Die Berliner Häuser hätten kaum noch Plätze frei, immer wieder müssten sie Frauen abweisen. Die neue Hotline könnte dieses Problem noch verstärken, sagt Ritterbusch.