Ernährungswissen: Kinder bewusst essen lassen
Stuttgart (dpa/tmn) - Ein Kind hält das Foto eines aufgeschnittenen Apfels für das einer Litschi. Ein anderes kann den Geruch einer frisch geschnittenen Zwiebel nicht einordnen. Erschreckend: Viele Kinder haben keine Ahnung vom Essen.
„Es hat offenbar nie erlebt, wie jemand Zwiebel schneidet“, sagt Cornelia Ptach und klingt dabei ein bisschen empört. Am Rande der Genussmesse Slow Food (14. bis 17. April) in Stuttgart erzählt die Lebensmittelchemikerin: Ein Kind habe gesagt, „so schmeckt die Suppe meiner Mama“, nachdem es bei Ptach reines Glutamat probiert hat. Glutamat wird häufig herzhaften Gerichten als Geschmacksverstärker zugefügt, kommt aber auch natürlicherweise in Lebensmitteln vor.
Ptach hat für die Vereinigung Slow Food Deutschland, ein „Sinnestraining“ für Kinder erstellt. Das soll den Kleinen helfen, sich bewusster mit dem Thema Essen auseinanderzusetzen. Die genannten Beispiele zeigen ihrer Ansicht nach, dass bei jungen Menschen immer mehr Ernährungswissen verloren geht. „Essen ist mittlerweile immer verfügbar. Seine kulturelle Bedeutung ist zurückgegangen“, sagt Ptach, die auch als Dozentin für Sensorik und Produktentwicklung an verschiedenen Hochschulen tätig ist. Gemeinsame Mahlzeiten in Familien seien seltener, gegessen werde häufig nebenbei. Doch um mit allen Sinnen genießen zu können, dürfe man nicht nur gedankenlos in sich hineinstopfen.
Ptach rät Eltern, mit ihren Kindern bewusst über Nahrungsmittel und die damit verbundenen Sinneseindrücke zu sprechen - und zwar immer wieder, am besten beim Essen. Denn Sinne lassen sich nur schärfen, wenn sie immer wieder trainiert werden. Sehen spielt zwar eine wichtige Rolle: Bis zu 90 Prozent der Wahrnehmung erfolgen über diesen Sinn, erläutert Ptach. Aber auch das Fühlen ist wichtig beim Essen: Was fühlt sich im Mund fest an, was rau?
Als dritter Sinn kommt das Riechen ins Spiel. „Kinder kennen den Geruch von künstlichem Erdbeeraroma im Joghurt. Den von frischen Walderdbeeren würden sie nicht erkennen“, sagt Ptach. Beim vierten, dem Schmecken, geht man allgemein davon aus, dass es fünf Grundrichtungen gibt, sauer, salzig, bitter, süß und umami. Ein Großteil des Schmeckens habe aber mit der vorhergehenden Wahrnehmung des Geruchs zu tun, erklärt die Expertin: „Zimt zum Beispiel riechen wir eher als dass wir ihn schmecken.“
Und schließlich hat auch das Hören eine Bedeutung beim Genuss. Kindern werde das bewusst, wenn sie sich erinnern, dass Chips am nächsten Tag nicht mehr so knacken wie vorher, weil die angebrochene Tüte nicht gut verschlossen war. Doch es lohnt sich auch, bei Gemüse genau hinzuhören: „Frische Karotten oder Gurken haben einen speziellen eigenen Sound.“ Kinder sollten versuchen, ihre unterschiedlichen Sinneseindrücke in Worte zu fassen. Genießen und über den Genuss sprechen: Das sei der Gedanke, für den auch die Slow-Food-Bewegung stehe.