Greenpeace weist gefährliche Stoffe in Kinderkleidung nach
Hamburg (dpa) - Schädliche Chemikalien finden sich in Kinderkleidung und -Schuhen von Discountern. Das ist das Ergebnis einer Greenpeace-Studie. Unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der Träger bestehe aber nicht.
Bei der Untersuchung von Kinderkleidung und Kinderschuhen von Discountern hat die Umweltorganisation Greenpeace gefährliche Chemikalien nachgewiesen. In mehr als der Hälfte von 26 Produkten hätten unabhängige Labore umwelt- und gesundheitsschädliche Chemikalien oberhalb der Vergleichs- und Vorsorgewerte entdeckt, teilte die Organisation am Donnerstag (23. Oktober) mit. Das seien Werte, die vom Bundesumweltamt oder dem Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlen werden, ohne bislang gesetzlich bindend zu sein.
Das Tragen dieser Kleidungsstücke schädigt laut Greenpeace zwar nicht unmittelbar die Gesundheit, doch die Chemikalien gelangten über Produkte und Fabriken in die Umwelt und in Lebensmittel. In China seien beispielsweise bereits zwei Drittel der Gewässer mit schädlichen Chemikalien verschmutzt.
Untersucht wurden Artikel von Aldi, Lidl, Penny und Tchibo sowie Produkte aus Supermarktketten in Österreich und der Schweiz. Einige der entdeckten Stoffe gelten laut Greenpeace als krebserregend. Manche seien schädlich für die Fortpflanzung oder die Leber. „Eltern werfen gern ein paar Kinderschuhe auf Milch und Butter in den Einkaufswagen. Doch die Discounter-Kleidung ist oft mit gefährlichen Chemikalien belastet“, sagte Greenpeace-Textilexpertin Kirsten Brodde.
Schuhe waren von allen Produkten am höchsten belastet. Kinderschuhe von Aldi-Süd (Booties „Alive“) und Aldi-Nord („walkx kids“) enthielten mehr als 190 Milligramm Dimethylformamid pro Kilogramm (mg/kg). Der Stoff gilt laut Greenpeace als fortpflanzungsgefährdend, akut giftig und gesundheitsschädlich. Für eine Auszeichnung mit dem blauen Engel dürfen 10 Milligramm nicht überschritten werden.
„In einer ordentlichen Produktion kommen Rückstände in einer solchen Größenordnung nicht vor“, sagte Chemikalien-Experte Christoph Schulte vom Umweltbundesamt. Es handle sich um Lösungsmittel-Rückstände. Ein gesetzlicher Grenzwert sei in diesen beiden Fällen zwar nicht überschritten. „190 Milligramm sind aber sehr hoch. Ich würde barfuß keine solchen Schuhe 24 Stunden am Tag tragen.“
Laut Greenpeace wiesen die meisten untersuchten Schuhe einen stechenden Geruch auf, der häufig auf die Allergien auslösenden Substanzen 2-Phenyl-2-propanol (2PP) oder Acetophenon hinweise. 7 von 14 Kinderschuhen enthielten 2PP demnach oberhalb des Vergleichswerts von 10 mg/kg. Alle drei getesteten Lidl-Kinderschuhe überschritten diesen Wert.
Die Kinder-Gummistiefel von Tchibo waren am stärksten mit dem potenziell krebserregenden Naphthalin aus der Gruppe der Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) belastet. Die Tester wiesen einen Wert von 2,2 mg/kg nach. Laut Umweltbundesamt gilt hier ab Ende 2015 für Kinderprodukte mit Hautkontakt ein Höchstwert von 0,5 mg/kg.
Nach Angaben der Hersteller werden gesetzliche Grenzwerte generell eingehalten. Auch die durch Greenpeace mitgeteilten Werte seien gesetzeskonform, sagte eine Sprecherin von Aldi-Nord der Nachrichtenagentur dpa. Die Produkte stellten keine Gefahr für den Verbraucher dar. Ähnlich äußerte sich Aldi-Süd.
Eine Lidl-Sprecherin betonte ebenfalls: „Die Produkte sind gesundheitlich unbedenklich und es besteht keine Gefahr für den Verbraucher.“ In den Bereichen ohne gesetzliche Grenzwerte habe Lidl in Zusammenarbeit mit Instituten eigene, strenge Grenzwerte definiert. „Mit den Lieferanten werden wir weiter an der Reduktion von Chemikalien arbeiten.“
Bei Tchibo hieß es: „Auch bei unseren eigenen standardmäßig vor dem Verkauf durchgeführten Prüfungen konnten keine für unsere Kunden bedenklichen Konzentrationen festgestellt werden.“ Das Unternehmen arbeite kontinuierlich daran, unerwünschte Chemikalien aus den Produktionsprozessen für Textilien auszuschließen, sagte ein Sprecher.
Die Vorsitzende des Verbraucherschutz-Ausschusses des Bundestages, Renate Künast (Grüne), forderte eine Veränderung der EU-Richtlinie für mit Chemie belastete Kleidung. Die europäische Chemikalien-Richtlinie werde zudem derzeit „sehr schleppend umgesetzt“, sagte sie im ARD-„Morgenmagazin“. Nötig sei eine Transparenz-Richtlinie.