Internetsucht - Anzeichen sehen und richtig handeln

Mainz (dpa/tmn) - Ist mein Kind spiel- oder internetsüchtig? Viele Eltern fragen sich das besorgt. Und auch der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung schlägt Alarm. Die Zeit vor dem PC allein, hat jedoch nur wenig Aussagekraft.

Bei der Frage, ob ihre Kinder computerspiel- und internetsüchtig sind, sollten Eltern nicht alleine auf die Spielzeit schauen. Entscheidend sei vielmehr, in welchen Situationen sich die Jugendlichen vor den Bildschirm setzten. „Zum Beispiel bei Stress oder persönlichen Problemen“, sagte Klaus Wölfling von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. Bei einigen Suchtpatienten bleibe die Zeit konstant, die vor dem Computer verbracht werde, allerdings steige die Intensität: „Das heißt, aus einem bestimmten Anlass oder immer zum selben Zeitpunkt müssen die Jugendlichen an ihren Computer“, sagt Wölfling, der die Ambulanz für Spielsucht leitet. Grundsätzlich verliefen die Grenzen zu einer Sucht aber fließend.

Ein weiteres Anzeichen für eine Sucht sei eine gedankliche Einengung: Haben Eltern das Gefühl, bei ihren Kindern kreise alles nur noch um Computerspiele oder Chats im Internet, sollten sie das ansprechen. „Etwa, wenn Eltern unterwegs mitkriegen, dass ihre Kinder unruhig werden und unbedingt wieder nach Hause an den Computer wollen, sollten sie nachfragen: 'Warum ist dir das jetzt so wichtig?'“, rät Wölfling. Beim Nachfragen sollten Mutter und Vater versuchen, auf Vorwürfe zu verzichten. Denn so sei die Chance größer, Einblick in die Gedankenwelt der Kinder zu bekommen.

Internetsüchtige reagierten mit Entzugssymptomen, wenn ihnen der Zugang zum Computer verwehrt werde: „Eltern werden dann zum Beispiel bedroht, weil der Rechner aus dem Kinderzimmer geräumt wird“, sagt Wölfling. Für die Erwachsenen sei das ein Schock, weil sie diese Seite an ihren Kindern nicht kennen.

Konfrontiere man die Jugendlichen mit ihrer Sucht, verleugneten diese das Problem: „Das gehört zum Krankheitsbild.“ Eltern sollten deshalb behutsam vorgehen und ihre eigenen Empfindungen schildern. So sei es besser zu sagen: „Ich denke, dass du eine Suchterkrankung hast“ statt anklagend zu formulieren „Das ist ja schon eine richtige Sucht bei dir.“

Sprechen die Anzeichen für eine Abhängigkeit, sollten Eltern versuchen, mit ihren Kindern eine Beratungsstelle aufzusuchen. Im Gespräch zeige sich dann, ob die Jugendlichen bereit für eine Behandlung sind: „Gegen ihren Willen kann man aber niemanden therapieren“, sagt Wölfling. In den meisten Fällen wüssten die Betroffenen aber selbst, dass sie ein Problem haben.

Aus dem am Dienstag (22. Mai) veröffentlichten Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung geht hervor, dass eine Computerspiel- und Internetsucht bei Jugendlichen immer stärker verbreitet ist. Etwa 250 000 der 14- bis 24-Jährigen gelten als internetabhängig, 1,4 Mio. als problematische Internetnutzer.