Raus aus der Terminfalle - Wie Jugendliche Prioritäten setzen

Berlin (dpa/tmn) - Schule, Beziehung, Freunde, Hobbys - Jugendliche wissen oft nicht, wie sie all ihre Termine koordinieren sollen. In einem ersten Schritt müssen sie herausfinden, was ihnen wirklich wichtig ist.

So lassen sich Zeitfresser leichter streichen.

Vier Klassenarbeiten, drei Referate, Tennistraining und Gitarrenunterricht - ganz zu schweigen vom Kaffeetrinken mit der besten Freundin: Bei vielen Jugendlichen platzt der Terminkalender aus allen Nähten. Dabei kann ständiger Stress schnell ungesund werden. Mit ein paar Tricks können Mädchen und Jungen aber lernen, ihn zu vermeiden.

„Es ist wichtig, sich mit sich selbst zu befassen und herauszufinden, worauf es einem im Leben ankommt“, sagt Stressforscher und Neurobiologe Prof. Gerald Hüther aus Göttingen. Wofür entwickelt man eine Leidenschaft, was sind die wirklichen Talente? Diese Fragen sollten sich Jugendliche ehrlich und in Ruhe stellen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen alles zu viel wird. „Man muss sich dazu wirklich in Ruhe hinsetzen.“ Danach könne man anfangen, Prioritäten zu setzen und den Terminkalender zu leeren. „Wer selbst weiß, was er will, den belasten nicht alle Anforderungen, die an ihn gestellt werden.“

Auch die sozialen Kontakte sollte man überdenken, rät Werner Tiki Küstenmacher. Der Ratgeberautor und Experte für Zeitmanagement befasst sich seit vielen Jahren mit Stress. „Jugendliche müssen sich klarmachen, wo sie hin wollen und wer aus dem Bekanntenkreis wirklich echte Freunde sind.“ Denn oft lasse man sich als junger Mensch von Gleichaltrigen beeindrucken, die ganz andere Ziele verfolgten als man selbst. Das bringe einen von den eigenen Interessen ab und erhöhe den Druck.

Vor Druck und Pflichten zu fliehen, ist natürlich nicht immer möglich - gerade die nächste Klassenarbeit oder andere schulische Aufgaben können für Stress sorgen, sind aber nicht zu umgehen. „Dann sollte man mit dem Unangenehmsten anfangen„, rät Küstenmacher.

Mit angenehmen Dingen wie schwimmen, bummeln gehen oder Kino sollten sich Jugendliche erst belohnen, wenn sie ihre Pflichten erfüllt haben - oder aber das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. „Warum nicht mit dem besten Freund zusammen lernen, bevor man Eisessen oder Fußballspielen geht“, sagt Küstenmacher. Ideal sei zudem, wenn Jugendliche es schaffen, echtes Interesse für ein Thema in der Schule zu entwickeln. Denn dann nähmen sie es automatisch nicht mehr als Belastung wahr.

Holger Domsch, Schulpsychologe in Münster, empfiehlt bei Stress Post-Its. „Am besten schreibt man alle Pflichten auf kleine Zettel und heftet sie an den Schrank. Immer, wenn man eine Sache geschafft hat, schmeißt man den jeweiligen Zettel in den Papierkorb.“ Dadurch werde der Erfolg sichtbarer und das Gefühl von Kontrolle wachse. Denn genau das mache chronischen Stress aus: Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und nicht alles zu schaffen.

„Ursprünglich ist Stress sogar etwas Positives“, sagt Domsch. Problematisch und ungesund sei Stress erst dann, wenn er zum Dauerzustand werde. Umso wichtiger ist es deshalb, genügend Zeit für Sport einzuplanen. „Wer sich dabei körperlich auspowert, der baut automatisch Stress ab.“

Den ganzen Tag nur lernen und danach in der Turnhalle schwitzen, sei aber nicht die ideale Mischung - Ausgleich und Abwechslung sind notwendig. Jugendliche sollten deshalb auch nichtsportliche Hobbys wie Theaterspielen, Trompete oder Malkurse trotz Schulstress nicht vernachlässigen. „Ein Hobby nur weiterzuführen, weil die Eltern es wünschen, ist aber nicht empfehlenswert“, sagt Werner Tiki Küstenmacher.

Das heißt aber noch lange nicht, dass Jugendliche gleich alles hinschmeißen müssen. Stattdessen könne man nach verwandten Dingen suchen: „Wer zum Beispiel seit fünf Jahren Posaune in der Kirchenband spielt und keine Lust mehr darauf hat, der sollte sich nach einer Rockband umschauen, in der er sein Talent weiterführen kann“, rät der Autor.

Gelingt es Jugendlichen, Dinge nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren, fühlen sich Hobbys und Treffen mit Freunden nicht mehr wie eine lästige Pflicht an. Manchmal schaffe man es dann, den Terminkalender einfach zuzuklappen und trotzdem noch Zeit für einen Kaffee mit der besten Freundin zu haben.