Paare im Freizeitstress - Gemeinsame Hobbys sind nicht alles

Berlin (dpa/tmn) - Für frisch Verliebte ist die gemeinsame Zeit das Schönste. Dem oder der Liebsten zuliebe geht der Klassikfan mit zum Volksmusik-Open-Air, und die passionierte Luxus-Urlauberin fährt mit zum Campen.

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Aber wenn der Alltag einkehrt, meldet sich die Frage: Muss ich mir das antun?

„Es ist eine sehr moderne Vorstellung von Beziehung, dass Paare ihre Freizeit miteinander verbringen müssen“, sagt Partnerschaftsberater und Buchautor Christian Thiel aus Berlin. Früheren Generationen sei das längst nicht so wichtig gewesen. „Und es hat für die Partnerschaft auch keine entscheidende Bedeutung“, ist Thiel überzeugt. Im Gegenteil: Dass beide Partner wirklich Freude am selben Hobby haben, sei eher selten. „Und alles andere ist immer ein Kompromiss, bei dem der eine dem anderen zuliebe Zugeständnisse macht.“

Aber kann gemeinsam verbrachte Zeit nicht auch ein „Kitt“ für die Partnerschaft sein, weil sie gemeinsame Erinnerungen schafft? „Was hält Ehen zusammen?“ wollte die Psychologin Eva Wunderer, Professorin an der Hochschule Landshut, vor einigen Jahren wissen und befragte zusammen mit Kollegen im Rahmen einer Langzeitstudie mehr als 650 Paare nach dem „Rezept“ ihrer Ehe. Auf Platz fünf der „Zutaten“ landeten die „gemeinsamen Lebensbereiche“, also gemeinsame Aktivitäten oder zusammen ausgeübte Hobbys. Ganz oben auf der Rangliste standen Toleranz und Verständnis, gefolgt von Vertrauen und Offenheit und - erst auf Platz drei landete - die Liebe.

„Gemeinsame Interessen sind sicher wichtig für eine Partnerschaft“, sagt Wunderer. „Aber größere Übereinstimmungen als bei konkreten Hobbys finden sich bei gemeinsamen Werten und Einstellungen.“ Und es macht auch einen Unterschied, wann sich ein Paar kennenlernt: „Sind beide noch jung, entwickeln sie im Laufe der Jahre oft gemeinsame Aktivitäten.“ Vor allem gemeinsame Lebensprojekte können eine Beziehung stabilisieren, der Entschluss, Kinder zu bekommen, zum Beispiel oder der Bau eines gemeinsamen Hauses.

Ob jetzt beide Briefmarken sammeln oder nur einer, ist für das Gelingen der Partnerschaft weniger von Bedeutung - wohl aber, wie die Partner auf die Vorlieben des jeweils anderen reagieren: „Es ist nicht wichtig, ob das Paar den Tag zusammen verbracht hat“, sagt Partnerschaftsberater Thiel: „Wichtig ist, dass sich beide von ihrem Tag erzählen - und dass sie sich dabei zuhören.“

Denn was bringt die gemeinsame Paddeltour, wenn einer der beiden nach einer Stunde genervt ist, weil die Blasen an den Händen so wehtun? Und viel lieber mit einem Buch auf dem Balkon sitzen würde? Anteil zu nehmen am Leben des Partners, sich dafür zu interessieren, wie er seine Zeit verbringt und was er dabei empfindet: Das sei entscheidend für eine gelungene Partnerschaft, sagt Thiel. Beim Paddeln live dabei sein muss man dafür nicht.

Manchmal allerdings wünscht sich der eine mehr gemeinsame Zeit, als der andere geben möchte. „Nie machen wir etwas zusammen“, heißt es dann. „Unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe sind eine extrem große Konfliktquelle“, sagt Sandra Konrad, Paartherapeutin und Buchautorin aus Hamburg, „oft wird es als Ablehnung empfunden, wenn der oder die Liebste das Hobby nicht teilen will.“ Dabei könne gerade diese Ehrlichkeit zu echter Nähe führen, „wenn beide Partner sich in ihren Bedürfnissen zeigen und kennenlernen“.

Entscheidend sei, wie die Gründe formuliert werden: Statt „Ich habe keine Lust, mit dir auf irgendeinem See herumzupaddeln“ heißt es besser „Ich brauche mal wieder Zeit für mich“. Mitzumachen, damit der Partner glücklich ist, sei der falsche Weg. „Wenn einer sich dem anderen zuliebe zu etwas zwingt, kann Groll entstehen“, sagt Sandra Konrad. Und der bringt auf Dauer die Partnerschaft mehr in Gefahr als ein getrennt voneinander verbrachtes Wochenende.

Und doch kennt fast jeder Paare, die stets gemeinsam unterwegs sind und dabei auch noch glücklich und zufrieden wirken. „Es gibt solche symbiotischen Beziehungen“, sagt die Paartherapeutin, „und sie können auch eine Zeit lang funktionieren.“ Aber manchmal breche dann doch ganz plötzlich einer der beiden Partner aus, „weil er die ganze Zeit eigene Impulse unterdrücken musste“. In einer Partnerschaft gehe es aber darum, „auch Unterschiede auszuhalten und den Wunsch des anderen nach Nähe und Distanz zu respektieren“.

Literatur:

Sandra Konrad: Liebe machen. Wie Beziehungen wirklich gelingen, Piper Verlag 2015, ISBN-13: 978-3492056762

Christian Thiel: Was glückliche Paare richtig machen. Die wichtigsten Rezepte für eine erfüllte Partnerschaft, Campus Verlag 2015, ISBN-13: 978-3593502533

Eva Wunderer, Klaus A. Schneewind: Liebe - ein Leben lang? Was Paare zusammenhält, dtv 2008, ISBN-13: 978-3423246774