Physik als Lichtshow: Kinder-Unis erklären die Welt spielerisch
Münster (dpa/tmn) - Kinder-Uni - das klingt nach Hochbegabung und überehrgeizigen Eltern. Doch mit Elitenbildung haben die Vorlesungen nichts zu tun. In erster Linie wollen die Hochschulen mit diesem Angebot Kinderfragen beantworten - gern mit bunten Lichteffekten.
Für den Experimentalphysiker Christian Weinheimer zählt die Vorlesung „Neutrinos - Geisterteilchen, die durch Wände fliegen“ definitiv zu den größten Herausforderungen seiner bisherigen wissenschaftlichen Karriere. Im Wintersemester 2012/2013 wollte der Professor für Kernphysik an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster Acht- bis Zwölfjährigen die winzigen Elementarteilchen näher bringen.
Seit knapp zehn Jahren bietet die Universität in Münster regelmäßig Kindervorlesungen an, jeweils etwa 45 Minuten und immer zu unterschiedlichen Themen. „Wir wollen den Wissensdurst der Kinder in diesem Alter befriedigen“, erzählt Brigitte Nussbaum von der Uni Münster.
So wie in Münster bieten fast alle Hochschulen in Deutschland Kinder-Unis an, mal nur in einem Semester, mal ganzjährig, überall ein wenig anders organisiert, aber immer mit einem ähnlichen Ziel: Die Fragen der Kinder ernst zu nehmen und die Universitäten aus dem Elfenbeinturm zu holen. „Die Idee, die dahinter steckt, ist gar nicht so kompliziert und alles andere als bürokratisch“, erklärt Ulla Steuernagel. Zusammen mit ihrem Kollegen Ulrich Janßen hat die Lokalredakteurin des Schwäbischen Tagblattes die Kinder-Uni vor zehn Jahren in Tübingen ins Leben gerufen.
Zwar gab es schon vorher Veranstaltungen an Universitäten für Kinder, doch von Tübingen aus verbreitete sich die Idee in ganz Deutschland und darüber hinaus aus. „Wir haben damals sicher von dem Pisa-Schock profitiert“, glaubt Steuernagel.
In Tübingen, Hamburg und Münster - um nur einige zu nennen - können die Kinder ohne Anmeldung zu den Veranstaltungen kommen. „Sie müssen sich aber bei jedem Termin registrieren, beziehungsweise erhalten einen Studentenausweis“, sagt Nussbaum von der WWU. Pro Vorlesung gibt es einen Stempel. Wer die meisten der angebotenen Veranstaltungen besucht hat, bekommt am Ende des Semesters ein Diplom oder eine andere Auszeichnung. „Da achten wir streng drauf, um den Kindern auch ein bisschen Ernsthaftigkeit zu vermitteln“, sagt Katharina Leiberg, Koordinatorin der Kinder-Uni an der Technischen Universität Dresden.
In der sächsischen Landeshauptstadt bietet die Universität die Kinder-Uni in Kooperation mit dem Hygiene-Museum an. Jeweils am ersten Montag nach den Sommer- oder Winterferien müssen sich die Kinder für die Vorlesungen anmelden.
Die Uni Hamburg verbindet mit der Kinder-Uni einen weiteren Anspruch: „Sie ist ein Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Wissenschaft überhaupt“, sagt Prof. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg. Es gehe darum, Kinder schon früh für die Möglichkeiten der Wissenschaft zu begeistern.
Der heute 18-jährige Justin Bockey aus dem westfälischen Aalen erinnert sich immer noch an eine Kinder-Vorlesung zum Thema Relativitätstheorie in Münster. „Als ich das dann in der Schule hatte, konnte ich mich wieder daran erinnern, weil mir das damals so gut erklärt wurde“, erzählt er.
So dürfte es auch den Kindern aus Prof. Weinheimers Vorlesung gehen. Er inszenierte seinen Vortrag als spektakuläre Lichtshow und ließ seine Assistenten als bunt leuchtende Neutrinos über die Bühne laufen.