Schatten und Seifenblasen: Mathe spielerisch im Alltag üben
Berlin (dpa/tmn) - Seit dem Pisa-Schock vor gut zehn Jahren haben die Schüler in Deutschland aufgeholt. Trotzdem können fast 18 Prozent nur einfache Mathematik-Aufgaben lösen. Um Kindern die Scheu zu nehmen, sollten Eltern Mathe in den Alltag integrieren.
Beim neuen internationalen Pisa-Schultest haben sich die 15-jährigen Schüler in Deutschland im oberen Mittelfeld behauptet. In Mathematik, Naturwissenschaften sowie im Lesen und Textverständnis erreichten sie Werte oberhalb des Durchschnitts der anderen Industrienationen. Auch die Zahl der leistungsschwachen Schüler ging in Deutschland leicht zurück. Gleichwohl können fast 18 Prozent der Heranwachsenden nur ganz einfache Mathe-Aufgaben lösen.
Eindeutige Pisa-Sieger sind nach den am Dienstag (3. Dezember) veröffentlichen Ergebnissen erneut die Schüler aus den asiatischen Regionen Shanghai, Singapur, Hongkong und Taipeh. 15-Jährige aus diesen Ländern sind Gleichaltrigen aus Deutschland allein in Mathematik um zwei bis drei Schuljahre voraus.
Die Schüler in Deutschland erreichten diesmal beim Pisa-Schwerpunkt Mathematik 514 Punkte (2009: 513). Sie liegen damit 20 Punkte über dem Schnitt der anderen Pisa-Teilnehmerländer (494) - was einem Lernvorsprung von gut einem halben Schuljahr entspricht. Ähnliches gilt für die Naturwissenschaften. In der Disziplin Lesen/Textverständnis ist der deutsche Vorsprung allerdings nur halb so groß.
Jungen sind in Deutschland mit ihren Mathe-Fähigkeiten gleichaltrigen Mädchen im Schnitt ein knappes halbes Schuljahr voraus. Der Vorsprung der Jungen hat sich im Vergleich zu früheren Pisa-Tests sogar vergrößert. Mädchen sind der Mathematik gegenüber negativer eingestellt. Ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist geringer, ebenso ihre Motivation und Lernausdauer.
Eltern spielen eine wichtige Rolle, um bei Kindern das Interesse an Mathematik zu wecken. Für viele sind Zahlen und Formeln aber ein rotes Tuch. „Außerdem denken Eltern, sie müssten selbst viel können, bevor sie sich mit ihren Kindern dransetzen“, sagt Brigitte Lutz-Westpfahl, Professorin für Didaktik der Mathematik an der Freien Universität Berlin. Gute Mathenoten in der Vergangenheit seien aber nicht so wichtig. Stattdessen komme es auf Neugierde und Interesse an.
Und beides können Eltern ihren Kindern im Alltag zeigen. „Zum Beispiel kann man mit Kindern Schatten betrachten und überlegen, warum die so schief sind. Oder beim Tischdecken mit bunten Tellern: Auf wie viele verschiedene Arten kann ich die hinstellen, so dass jeder mal den roten Teller bekommt?“, nennt Lutz-Westphal Beispiele. Seifenblasen eigneten sich gut, um Spiegelungen und geometrische Formen zu erkennen. Auf den ersten Blick habe das nichts mit dem Mathematikunterricht in der Schule zu tun - „aber Mathe ist nicht nur Rechnen. Es geht um logisches Denken und darum, Strukturen im Alltag zu entdecken.“
Wenn sich ältere Kinder für Spielerisches nicht mehr interessieren, können Eltern trotzdem dranbleiben. Manchmal reiche es schon, sich erzählen zu lassen, was die Kinder in Mathe gerade durchnehmen, sagt Lutz-Westphal. „Auch hier gilt, neugierig zu bleiben, nachzufragen und nicht einfach zu sagen: Was? Das haben wir früher ganz anders gemacht, ich zeig dir mal, wie es geht.“ Mit älteren Kindern lasse sich Mathe zum Beispiel beim Einkaufen entdecken: Sie können schätzen, wie viel alle Produkte im Einkaufswagen kosten oder wie viel Volumen die Packungen haben.
Und was können Eltern tun, deren Kinder Mathe zum Hassfach erklärt haben? Zumindest sollten sie es nicht darin unterstützen, indem sie sagen: „Das hast du geerbt, ich war auch nie gut darin.“ Besser seien Vorschläge, etwa: „Wir holen uns jemanden von außen, der das richtig gut erklären kann.“