Scheidung nach der Silberhochzeit - Späte Trennungen sind im Trend
Wiesenbach (dpa/tmn) - Eine langjährige Ehe ist kein Garant für lebenslange Zweisamkeit. Auch nach der Silberhochzeit trennen sich noch viele Paare. Bei der Zahl der späten Scheidungen zeigt die Tendenz nach oben.
Jahrzehntelang scheint alles in bester Ordnung. Mit einem großen Fest wird Silberne Hochzeit gefeiert. Dann plötzlich ist alles aus. Vielleicht macht ein Ehepartner Schluss, vielleicht stellen beide fest, dass es keine gemeinsame Basis mehr gibt oder die Partnerschaft sogar von Anfang an unbefriedigend war.
Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Zahl der Scheidungen nach einer Ehedauer von 26 und mehr Jahren von 1992 bis 2012 mehr als verdoppelt. Auslöser für eine Trennung oder Scheidung nach langer Ehe sei häufig ein äußeres Ereignis, sagt Inken Lind, Professorin am Institut für Geschlechterstudien der Fachhochschule Köln. Das kann der Auszug der Kinder oder der Eintritt in den Ruhestand sein.
Wer sich nach langer Zeit trennt, habe meist schon eine Alternative zum bisherigen Leben im Blick, betont die Paartherapeutin Angela Wagner aus Wiesenbach. Bei Männern ist das häufig eine neue Partnerin, bei Frauen ein eigener Lebensentwurf.
Die Themen bei einer Scheidung verschieben sich in Laufe der Jahre, sagt die Münchner Rechtsanwältin Edith Fiedler. Unterhalt für Kinder und Sorgerechtsfragen seien nach langer Ehezeit meist nicht mehr relevant. Dafür werde oft erbittert über das gemeinsame Vermögen und den Ehegattenunterhalt gestritten. Vor allem für Frauen, die ihren Beruf weitgehend aufgegeben haben, können die Konsequenzen dann hart sein.
„Ein brennendes Problem beim Vermögensausgleich ist häufig auch das gemeinsame Haus“, sagt Fiedler. Wenn kein Ehepartner den andern auszahlen und das Haus übernehmen kann, steht der Verkauf an. Das stößt jedoch oft auf massiven Widerstand der Kinder, die ihr Elternhaus verlieren würden.
Auch für Kinder, die längst aus dem Haus sind, ist die Trennung der Eltern ein tiefer Einschnitt, bestätigt Diplom-Psychologin Lind. Ihr Bild von der lebenslang glücklichen Beziehung werde infrage gestellt. Es kann das Gefühl entstehen, nur mit der Illusion von einer glücklichen Familie aufgewachsen zu sein.
„Erwachsene Kinder dürfen sich bei einer Trennung nicht instrumentalisieren lassen“, betont Wagner. Sie sollten sich nicht heraushalten, aber auch nicht auf eine Seite schlagen. Besser sei es, beide Elternteile verständnisvoll zu begleiten und ihnen zu sagen: „Die Trennung ist eure Sache, ihr beide bleibt unsere Eltern“.
„Paare, die 20 oder mehr Jahre verheiratet waren, haben eine lange gemeinsame Lebensgeschichte, die man nicht auslöschen kann“, betont Wagner. Die Trennung sei deshalb auch ein „Abschied von guten Zeiten“. Hilfreich bei der Bewältigung der Situation könne es sein, sich klarzumachen, dass nicht alles schlecht war.
Die subjektive Wahrnehmung der Ehe liege bei Partnern häufig weit auseinander, sagt Lind. Vor allem Männer fielen deshalb oft aus allen Wolken, wenn die Frau scheinbar plötzlich die Trennung will. Frauen neigen dazu, lange in unbefriedigenden Beziehungen auszuharren - sei es aus finanzieller Abhängigkeit oder wegen der Kinder.
Wagner rät, schon in jungen Jahren eine gute Gesprächs- und Konfliktkultur zu pflegen - „damit sich nichts anhäuft“. Nach etlichen Kränkungen schwindet die Bereitschaft zum Gespräch. Jeder Partner entwickle sich individuell weiter, betont die Paartherapeutin. Es sei wichtig zu verstehen, „dass ich nur als autonomer Mensch eine reife Partnerschaft leben kann“. Und das bis zur Goldenen Hochzeit und darüber hinaus.