Schwung statt Schweinehund: So entwickelt man gesunde Routinen

Köln (dpa/tmn) - Wenn das so einfach wäre: Schlechte Angewohnheiten gegen gute einzutauschen. Ohne Willenskraft lässt sich das nicht erreichen. Einmal verankert, sind gute Routinen aber die perfekte Waffe gegen Stress.

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Der Alltag tobt im neuen Jahr. Und so fest man es sich auch vorgenommen hat: So mancher gute Vorsatz geht schnell unter, wenn Stresswogen anrollen. Dann zählt oft das alte „Schokoriegel in der Pause“ und „Sofa am Abend“ - selbst, wenn „Apfel in der Pause“ und „Joggingrunde am Abend“ geplant waren.

Die US-Psychologin Wendy Wood (University of Southern California) zeigte unlängst: Gute, gesunde Routinen bewahren uns in Stresszeiten davor, ungesund zu leben. Sie werden genauso wie schlechte Angewohnheiten beibehalten, wenn es in unserem Leben hoch hergeht. Doch wie entwickelt man gute Gewohnheiten wie ausreichend Schlaf, viel gesundes Essen und Bewegung, wenn man sie noch nicht hat?

„Routinen und Gewohnheiten können in Stresszeiten eine wichtige Rolle spielen“, sagt auch die Psychologin Daniela Zahn von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Sind sie für die Gesundheit gut - etwa jeden Morgen eine Runde zu joggen, komme was wolle -, dann können sie uns sogar helfen, mit Stress umzugehen. „Je länger ich so eine Routine schon habe, desto fester ist sie verankert.“

Eine psychologische Theorie geht davon aus, dass die Willenskraft des Menschen und die Fähigkeit, sein Verhalten zu regulieren, nicht unbegrenzt sind und sich erschöpfen können. Dies basiert unter anderem auf Studien des US-Psychologen Roy Baumeister. Gewohnheiten erfolgen hingegen weitgehend automatisch. Das Wissen ist da: Es ist gesünder, Obst statt Süßigkeiten zu essen. Doch eine alte Gewohnheit spart offensichtlich kurzfristig Kraft. Wir müssen keine Energie aufwenden, den geliebten, gewohnten Schokoriegel für einen Apfel einzutauschen - auch wenn es langfristig besser wäre.

„Im Alltag wird es schwerer, schlechten Gewohnheiten Einhalt zu bieten, wenn der Tag sehr anstrengend war.“ Dann stünden die Chancen schlecht, das schöne, warme Sofa gegen die Kälte draußen einzutauschen, um zu joggen, sagt Wilhelm Hofmann von der Universität zu Köln (Department Psychologie), der mit Baumeister geforscht hat. „Zumindest am Anfang sollte man sich Ruhe und Raum für das Planen und Einführen einer guten Routine geben, damit diese später in Fleisch und Blut übergeht.“ Wenn keine Pause aus dem hektischen Alltag in Sicht erscheine, dann sei es eine Frage der Priorisierung: „Ich muss schon überzeugt und motiviert sein, dass eine Änderung in meinem Leben wichtig ist und mich weiterbringen wird.“

Hofmann rät, Situationen zu schaffen, in denen das soziale Umfeld eine neue Routine unterstützt - etwa, wenn man sich zum Joggen mit Freunden verabredet. Manchen Menschen helfe es, sich eine Postkarte zu schicken, auf der Ziele festgehalten sind: „Was will ich schaffen, welche guten Konsequenzen wird meine Verhaltensänderung haben? Dann kann ich die Postkarte mit mir herumtragen und nachlesen, wenn ich die Ziele vielleicht im Stress vergesse.“ Besonders in der Anfangsphase sollte man sich für eine neue Routine belohnen und die Änderung richtig zelebrieren.

Doch wie viel Änderung auf einmal ist möglich? Die Gesundheitspsychologin Zahn empfiehlt, nur ein oder zwei neue Routinen gleichzeitig einzuführen - und diese so konkret wie möglich zu planen. „Mit allgemeinen Plänen wie „Ich möchte mehr Sport machen“, scheitern die meisten.“ Besser sei, die Ziele präzise zu formulieren, etwa so: „Ich gehe montags, mittwochs und freitags um sieben Uhr 20 Minuten joggen.“

Auch die Motivationspsychologin Gabriele Oettingen (Universität Hamburg und New York University) glaubt nicht, dass Menschen von heute auf morgen und ohne jede Mühe ihr Leben komplett ändern können. Mit der richtigen Technik kann es aber klappen, Routinen zu entwickeln oder zu verlassen. Sie hat das „mentale Kontrastieren“ entwickelt, das darauf fußt, sich die erwünschte Zukunft in den schönsten Farben gedanklich auszumalen - und dann einem Hindernis-Check zu unterziehen. „Unsere Forschung zeigt, dass es nicht reicht, sich die Zukunft positiv vorzustellen.“ Je positiver die Vorstellungen und Fantasien von Studienteilnehmern gewesen seien, desto schlechter schnitten sie später in der Wirklichkeit ab.

Übertragen auf den Wunsch nach einem fitten Körper und mehr Bewegung könnte also diese Analyse folgen: Was hält mich davon ab, mehrmals in der Woche morgens zu joggen? Habe ich nicht die richtige Kleidung für schlechtes Wetter? Mache ich lieber Sport im Team? Denke ich, dass ich die Zeit besser nutzen kann? „Wenn ich weiß, was mich wirklich abhält, dann komme ich weg von den Ausreden.“ Oettingen ergänzt dies noch mit sogenannten Wenn-dann-Plänen, die auf ihren Kollegen Peter Gollwitzer zurückgehen. Solch ein Plan könnte lauten: „Wenn ich morgens aufstehe, dann ziehe ich mir gleich die Laufkleidung an und gehe joggen.“ Wenn also ein Ereignis eintritt (morgens aufstehen), dann soll das andere folgen (Laufkleidung anziehen und joggen gehen).

„Wenn-dann-Pläne sollen dabei helfen, dass sich mein Verhalten automatisiert“, sagt Hofmann. Am besten funktionieren sie, wenn man sich stark einem Ziel verpflichtet fühlt, es aber noch an der konkreten Umsetzung hapert. Er sehe keinen Königsweg, um gute Routinen zu entwickeln, jeder Fall sei unterschiedlich. „Das hängt unter anderem vom Wissen über den Grund meines Verhaltens, der Motivation und meinem Umfeld ab, wie schnell ich es schaffe, eine Routine durch andere zu ersetzen.“

Literatur:

Roy Baumeister/John Tierney: Die Macht der Disziplin, Campus Verlag, 328 Seiten, 24,99 Euro, ISBN-13: 9783593393605