Soziologin: Befreiung statt Sexismus im Karneval
Rostock (dpa) - Männer verwandeln sich in Frauen - für kurze Zeit im Karneval. In der närrischen Zeit gibt es die Chance für einen temporären Rollentausch, sagt eine Soziologin. Sie ärgert sich über einen bestimmten Aspekt in der Sexismus-Debatte.
Im Karneval kann nach Ansicht einer Wissenschaftlerin Sexismus überwunden werden. In der närrischen Zeit gehe es um Befreiung, sagt die Rostocker Soziologin Yvonne Niekrenz. „Karneval hat durch das Kostüm eine ganz große Chance. Für eine kurze Zeit ist das Schlüpfen in eine andere Geschlechtsrolle möglich.“
Für ihre Doktorarbeit hat die Wissenschaftlerin 2007 und 2008 den rheinländischen Straßenkarneval untersucht. Niekrenz meint, dass Männer, die sich als Frauen verkleiden, und auch Frauen, die sich in Männer verwandeln, ausprobieren könnten, wie sich das andere Geschlecht anfühlt. „Da liegt ein großes Potenzial drin.“
An der aktuellen Sexismus-Debatte ärgert Niekrenz, dass der Begriff nicht ordentlich erklärt werde. „Sexismus wird oft mit sexueller Gewalt und sexueller Belästigung in einen Topf geworfen.“ In der Soziologie bedeute Sexismus, dass Denken, Glauben und Handeln darauf hinausliefen, dass Männer privilegiert und Frauen unterworfen würden. Im Karneval gehe es aber nicht um Unterdrückung - sondern um Befreiung. Die kostümierten Jecken schlüpften in andere Rollen, auch Frauen. Altweiber sei ein gutes Beispiel.
„Bei Altweiber geht es darum, die Aggressivität einmal umzudrehen“, sagt Niekrenz. Krawatten abschneiden zum Beispiel stehe symbolisch für die Kastration. Zu Altweiber könnten sich die Frauen aus dem alltäglichen Sexismus befreien - allerdings nur für einen Tag.
Was für den Straßenkarneval gelte, stimme allerdings nicht für traditionelle Karnevalsvereine. „Da haben Männer das Zepter in der Hand“, sagt Niekrenz. Der Elferrat etwa bestehe meistens nur aus Männern. Die Tanzmariechen würden extra hochgehoben, damit man ihnen unter den kurzen Rock sehen könne. Für die Älteren sei die Rolle der versorgenden Marketenderin vorgesehen. „Frauen werden auf traditionell weibliche Rollen festgelegt.“
Die Soziologin empfiehlt, die Möglichkeiten, die sich im Karneval bieten, zu nutzen und sich als das andere Geschlecht zu verkleiden. „Jeder, der sich fragt, was dieses Sexismusthema eigentlich soll, sollte im Karneval einmal auf der anderen Seite unterwegs sein.“