Wann ist ein Mann ein Mann?

Bei „Sprungbrett“ im Düsseldorfer Süden bleiben die Jungen unter sich. So ist es leichter, auch einmal Schwächen zuzugeben.

Düsseldorf. Der Raum im Erdgeschoss des Flachbaus ist hell und freundlich. Jemand hat Kaffee gekocht und ein paar Tassen auf den großen Tisch gestellt. In einer Ecke stehen ein paar Sitzmöbel, in der anderen thront der kleine Fernseher. Aus dem Nebenraum schlendern Pascal und Daniel herein. Der 16-jährige Daniel sucht sich einen Platz ganz am Ende des Tisches. Er guckt verlegen auf den Tisch. Der 17-jährige Pascal lässt sich auf seinen Stuhl fallen und trommelt mit den Fingern.

Pascal und Daniel erhalten Unterstützung vom Jugendamt im Rahmen von Hilfen zur Erziehung. Über Monate haben die beiden hier Zeit verbracht, in der Jugendhilfe-Einrichtung "Sprungbrett" in Holthausen, mit Martin Brückmann und seinem Kollegen Stefan Hallen. "Ich hab’ hier Selbstbewusstsein gelernt", sagt Pascal. "Ich quatsch’ nur hier", sagt Daniel. Sonst erzähle er seine Probleme kaum jemandem.

Bei den wöchentlichen Treffen blieben die Jungen unter sich. Sechs bis acht Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren, dazu die zwei Betreuer. Männerabende, "ohne Bier und Pornos", wie es die Projektbeschreibung vermerkt. Themen wie Beziehungen, Sexualität und Frauen kamen genauso auf den Tisch wie Drogen oder Alkohol. "Für die Jungen war wichtig zu sehen, dass es auch andere Jungen mit ähnlichen Problemen gibt", erzählt Brückmann.

Es gab viele Gründe, eine Gruppe eigens für Jungen ins Leben zu rufen. Jungen erhalten im Verhältnis zu Mädchen öfter Jugendhilfe-Leistungen. Es wurde auch klar, dass in vielen Familien die Väter fehlten. "Vom Jugendamt haben wir immer wieder gehört: ,Wir brauchen einen Mann, der in die Familie geht. Da ist nämlich keiner’", sagt Brückmann. Dazu kommt, dass Jungen heute vor allem weiblich sozialisiert aufwachsen, sei es im Kindergarten, in der Schule oder in der Familie. "So tun sie sich schwer, ihre eigene männliche Identität zu entwickeln", sagt Hallen. "Da bleibt oft nur die Abgrenzung zu allem Weiblichen."

So muss für Pascal ein Mann immer noch "stark sein, darf nicht mädchenhaft sein und bei jeder Kleinigkeit schwach werden". Für Daniel soll ein Mann "keine Memme sein und nicht schnell zicken". An dieser Stelle setzen Brückmann und Hallen ein. Als Pädagogen sollen sie "Jungen auf ihrem Weg zum Mannsein unterstützen", fordert der Jugendhilfeplan der Stadt, und ein "facettenreiches und nicht auf ein traditionelles Rollenbild reduziertes Männerbild" vermitteln. Mitunter kann das auch bedeuten, sich mit kleinen Schritten zufrieden zu geben. "Ich bin schon froh, wenn die Jungen nicht glauben, dass sie nur Mann sind, wenn sie zuschlagen", sagt Martin Brückmann. "Oder dass sie kein Mann sind, wenn sie eben Friseur werden wollen."

Einrichtung Sprungbrett ist eine Einrichtung der Diakonie im Rahmen des Jugendhilfeverbunds der Stadt Düsseldorf

Ziele In Einzelbetreuung und durch Gruppenarbeit hilft Sprungbrett jungen Menschen, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Dazu bietet Sprungbrett Unterstützung bei familiären Konflikten, bei der Verselbständigung der Jugendlichen sowie Begleitung in Schule und Beruf.

Jungenarbeit Die Jungengruppenarbeit wurde 2004 von Martin Brückmann aufgebaut und wird von ihm und Stefan Hallen geleitet. Beide sind Mitarbeiter von Sprungbrett und verfügen über jungenspezifische Zusatzausbildungen.