„Wendy“ wird 30: Das Phänomen Pferdemädchen

Berlin (dpa) - Sie finden Pferde süß. Auf Reiterhöfen kommen sie in eingeschworenen Cliquen vor, die manchmal richtig fies sein können: Pferdemädchen. Ihr Zentralorgan, die Zeitschrift „Wendy“, wird am 3. Juni 30 Jahre alt.

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2017 kommt der gleichnamige Film ins Kino, eine Fernsehserie gibt es schon.

Erwachsene Frauen kann man eigentlich in zwei Kategorien unterscheiden: Waren sie früher ein Pferdemädchen? Oder war ihnen der Unterschied zwischen Dressur und Voltigieren, Trab und Galopp und der zwischen Friesen, Haflingern und Arabern schnuppe?

Für viele ist das Reiten eine Phase vor dem ersten Freund, ein nicht gerade billiges Hobby, geduldig getragen von Eltern, die den Nachwuchs zum Reiten kutschieren.

Einige bleiben ihr Leben lang ein Pferdemädchen. So wie Queen Elizabeth II., die zum 90. Geburtstag eine Reiterparade geschenkt bekam und immer noch im Sattel sitzen soll - ohne Helm. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist eine passionierte Reiterin.

In Deutschland gibt es rund 1,1 Millionen Pferde. Die Population habe sich in den vergangenen 40 Jahren etwa vervierfacht und auf konstantem Niveau eingependelt, bilanziert die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Dachverband. Der Sport ist eine Frauendomäne. Von den passionierten Reitern sind 1,03 Millionen weiblich und nur 140 000 männlich.

PFERDE-FANS AUCH IN DER PROMI-WELT Wenn man auf Pferde achtet, sind sie auf einmal überall. In Juli Zehs Dorf-Roman „Unterleuten“ findet der Mann einer „Rossfrau“, der in der Gunst weit hinter dem Pferd steht, Trost in Internetforen. Fußballstar Thomas Müller teilt die Begeisterung seiner reitenden Frau Lisa und trägt als „TT“ („Turnier-Trottel“) brav die Tasche mit Gerte und Leckerli - so war es gerade in der „Bunten“ zu lesen. Der Comedian Helge Schneider hat dem Phänomen Pferdemädchen sogar mal ein Musical gewidmet. Es hieß „Mendy - Das Wusical“.

Die Heldin des Stücks erinnert an die Zeitschrift - „Wendy“. Das Erste, was beim Heft am Kiosk auffällt: die Gimmicks. 1990 war es ein Mähnenkamm, heute zum Beispiel eine „Beauty Bag“ bedruckt mit zwei Schimmeln im Meer. Im Heft dann: Wissensartikel über Pferde („Süße Bergponys aus Italien“, „Traumberufe mit Pferden“), Poster und eine Fotostory, für die Mädchen auf Reiterhöfen gecastet werden.

Fester Bestandteil sind die Comic-Abenteuer von Wendy Thorsteeg, die auf einem Reiterhof in Schleswig-Holstein lebt. Ältere Leserinnen denken bei den Storys an Fernsehserien wie „Black Beauty“ oder „Die Mädels vom Immenhof“.

Lesen kleine Mädchen heute überhaupt noch gedruckte Magazine? Dass die Auflagen im Zeitschriftenmarkt sinken, weiß man auch beim Verlag Egmont Ehapa in Berlin. Auch die „Wendy“ hatte früher eine höhere Auflage - da war der Markt aber anders und hatte weniger Titel, wie Produktmanagerin Nora Gollek erläutert. Aktuell entwickele sich das Heft „äußerst positiv“. Gollek verweist auf eine Steigerung bei den Quartalszahlen (54 500 Verkäufe I/2016). Eine Ausgabe (dreiwöchentlich, Preis 3,50 Euro) werde von 387 000 Mädchen zwischen 6 und 13 Jahren gelesen. Das sei bei der Reichweite in dieser Gruppe Platz 1.

Anders geworden ist die Leserschaft: Längst nicht mehr alle haben regelmäßig Zugang zu einem Pferd oder besitzen gar eines, wie Gollek erklärt. „Aus dem Pferde- und Comicheftchen von einst ist eine Mädchenzeitschrift geworden - für Mädchen, die Pferde lieben.“

BEGEISTERUNG IST UNGEBROCHEN Uta Helkenberg von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung sagt: „Die Begeisterung der Mädchen fürs Pferd scheint ungebrochen. Das sieht man ja alleine, wenn man sich mal anschaut, worauf überall Pferde und Ponys abgebildet und abgedruckt sind.“

Ihr Eindruck ist aber auch, dass die Jugendlichen heute oft nicht mehr so viel Zeit haben, um neben der Schule nachmittags stundenlang im Stall zu sein. Die Zahl der registrierten reitenden Mädchen ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich gesunken - von 159 000 auf 138 000.

Die Zahlen im organisierten Pferdesport gehen generell zurück. Das hängt laut Helkenberg wie in anderen Sportarten mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen. Deutschland wird älter. Innerhalb des Gesamtverbandes werde der Frauenanteil aber immer größer, sagt die Fachredakteurin.

Warum Mädchen auf Pferde stehen, war schon viel Stoff für Wissenschaftler bis hin zur Psychoanalytikerin Anna Freud. Helkenberg erklärt es einfach: „Man kann immer wieder beobachten, dass das Pferd in der Übergangsphase zwischen Kind und junger Frau eine wichtige Rolle spielt, dass gerade Mädchen zum Pferd eine besondere, emotionale Bindung aufbauen.“

Und was sagt ein Pferdemädchen dazu? Die Nachwuchsreiterin Lilli (5) aus Schleswig-Holstein findet die Tiere einfach lieb. „Am tollsten ist, wenn Berti galoppiert, wenn man so fast schwebt im Himmel.“

Nicht alle bleiben dem Sport aus der Kindheit treu. Etwa, wenn der Freund keine Pferde mag oder der Beruf nicht zum Reiten passt. Das „Pferdevirus“ haftet aber meist lebenslänglich, sagt Helkenberg. Viele kehren später als Wieder-Aufsteiger zurück. Oder sie schauen als Eltern hinterm Zaun zu, wie das Kind auf dem Pony reitet - und manchmal eine lebenslange Liebe beginnt.